Kunstbegegnung: KUNST & INTERKULTURALITÄT - Der kreative Dialog zwischen den Kulturen von Cris (TEIL I)

02.11.2023
CRIS

Die Kunst hat die Menschheit seit jeher begleitet und auf der ganzen Welt verschiedene Kulturen hervorgebracht. In Zeiten von künstlicher Intelligenz, technologischer Revolution und globaler Hyperkonnektivität ist es angebracht, auf die Stimme der Künstler:innen als Kulturschaffende in den heutigen Gesellschaften zu hören.

Wonach suchen sie? Welchen Stellenwert hat die Technik in ihrem Schaffen? Welchen Einfluss haben die Vergangenheit und die Gegenwart der Kultur ihrer Region auf sie? Diese Untersuchung stellt Künstler:innen aus verschiedenen Breitengraden der Welt vor: ihre Stimme, ihre Werke, ihre Kunst und die Kultur, die sie bewohnt und beherbergt. Denn jede ihrer Stimmen ist einzigartig und wertvoll, um den Reichtum der menschlichen kulturellen Vielfalt zu verstehen.

Basierend auf folgenden Gedanken des deutschen Dichters und Dramatikers Johann Wolfgang von Goethe: 

Die Kunst ist eine ernste Sache, die ihren höchsten Ernst erreicht, wenn sie sich mit edlen und heiligen Gegenständen beschäftigt. Der Künstler aber steht über der Kunst und über dem Gegenstande; über dem ersteren, weil er ihn zu seinem Zwecke gebraucht, und über dem letzteren, weil er ihn auf seine Weise behandelt. (J.W. von Goethe, “Maximen und Reflexionen”, 1833. Postum Edition, 2021, S. 31).

gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen Kunst und Interkulturalität, der bei der Untersuchung der Geschichte der Zivilisationen deutlich wird. Denn durch die künstlerischen Ausdrucksformen von Gesellschaften, wie Malerei, Musik, Architektur, Tanz, Literatur und Bildhauerei, können kulturelle Gemeinschaften ihre Geschichte, Werte, Ideen, Traditionen und ihre eigene Sichtweise der Welt teilen und vermitteln. Kunst trägt zum Aufbau der Gesellschaft bei; sie ist Teil ihrer Identität. Die Menschen finden sich selbst und lernen andere durch künstlerische Ausdrucksformen kennen. In diesem Sinne haben die verschiedenen Kulturen ihre unterschiedlichen Stimmen, die weder besser noch schlechter sind, sondern nur einzigartig. 

Diese Stimmen entwickeln einen kreativen Dialog, der den Lauf der Zeit überdauert und geografische Entfernungen überwindet, der die Künstler:innen mit den Betrachter:innen und die Betrachter:innen mit den Künstler:innen verbindet. Die Kunst überträgt die Kultur, die Kultur schafft die Kunst. Schliesslich wird die Stimme der Kulturen durch die Verbindung mit anderen Kulturen zum Ausdruck gebracht, und so lernen wir in einem interkulturellen Dialog neue Wege kennen, die Realität zu verstehen, die Welt auf andere Weise zu bewohnen und sie auf andere Weise zu manifestieren.

 

Bild 1: Ravi Kumar, The Dessiner Artist Group & Cris beim Malen eines Wandbildes in den Strassen von Vrindaban, Indien. Foto Credit: ©CRIS / Januar, 2020. 

 

Auf die Frage nach der Beziehung zwischen Kunst und Interkulturalität antwortete die Künstliche Intelligenz ChatGPT:

Die Beziehung zwischen Kunst und Interkulturalität ist ein komplexes Thema, das mehrere Disziplinen und Herausforderungen umfasst. Aus einer interdisziplinären und identitätsstiftenden Perspektive wird diese Beziehung sogar noch interessanter. Hier sind einige wichtige Aspekte zu berücksichtigen: Kultureller Ausdruck, Begegnung von Kulturen, Identitätsreflexion, Infragestellung von Stereotypen, interdisziplinäre Bildung, soziale Transformation. Kurz gesagt, die Beziehung zwischen Kunst und Interkulturalität ist reichhaltig und vielschichtig. Die Kunst spielt eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Verständnis, kultureller Vielfalt und Identitätsbildung und profitiert von einer interdisziplinären Perspektive, die diese Themen ganzheitlich angeht. (ChatGPT, 2023).

In einer Welt, die zunehmend durch Technologie vermittelt wird, kann das Hören auf die Stimme der KI eine Ergänzung zur Arbeit der Künstler:innen sein oder zumindest eine Provokation, die neue Wege der Verbindung von Menschen mit Technologie und neuen Kreationen aufzeigt. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Kultur und Kunst im Wesentlichen eine hochentwickelte Form der Technologie sind und waren, die von den verschiedenen Völkern der Menschheit genutzt wurde, um vielfältiges Wissen, Weisheit und Verständnis für das Universum und den Menschen zu vermitteln.

In Anbetracht der Bedeutung der Kunst in der heutigen Welt und ihres Einflusses auf die Geschichte als Motor des gesellschaftlichen Wandels ist es unerlässlich, final die Frage zu stellen: Ist Kunst ein möglicher Weg zu einer Welt ohne Krieg? 

Jetzt ist es an der Zeit, die Stimmen von Künstler:innen aus aller Welt zu hören! 9 Kunstschaffende aus 5 Kontinenten in einem Artikel, der in 2 Teile aufgeteilt ist!

 

Künstler:innen TEIL I: 

• Ravi Kumar (Indien), Juan Tardivo (Deutschland), Tingyi Maria Huang (USA), Mata Kamaleshwari Thuley (Australien) and Hakim Altlis (Libyen). 

 

Künstler:innen TEIL II: 

• Ketut Murtayasa (Indonesien), Madeleine Farhounmand (Schweiz), Monica Sarmiento Archer (USA) and Cris (Schweiz).

 

Ravi Kumar aus Indien

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

So wie die Identität eines jeden Kunstschaffenden seine Kunst ist, so ist auch meine Identität meine Kunst, meine Kunst ist meine Existenz, ich kann meine Gedanken nur durch meine Kunst der ganzen Welt mitteilen. Ich liebe die Kunst und die Künstler:innen. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents? 

Die Kunst spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung eines jeden Landes. Sie spiegelt gemeinsame Visionen, Werte, Praktiken und ein bestimmtes Ziel wider. Kultur und Kreativität sind in allen wirtschaftlichen, sozialen und anderen Aktivitäten eingebunden. Indien ist ein Land der Vielfalt und bekannt für seine verschiedenen Kulturen. Indien verfügt über eine riesige Sammlung von Liedern, Musik, Tänzen, Dramen, Volkstraditionen, darstellenden Künsten, religiösen Riten und Ritualen, Malerei und Schrift, die als «immaterielles Kulturerbe» der Menschheit bezeichnet werden. Zu ihrer Erhaltung hat das Kulturministerium verschiedene Programme und Regelungen eingeführt, deren Ziel es ist, Einzelpersonen, Gruppen und Kultureinrichtungen, die im Bereich der darstellenden Künste, der Philosophie und der Literatur tätig sind, finanzielle Unterstützung zu gewähren.

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Der/die Künstler:in erschafft erst, nachdem er/sie eine Verbindung zu den Erscheinungen der Aussenwelt, den Aktivitäten und Gefühlen der Gesellschaft hergestellt hat. Im Schaffen hat er/sie eine direkte Beziehung zwischen sozialen Gefühlen und menschlichen Instinkten. Diese Gefühle kommen im künstlerischen Schaffen zum Ausdruck, so dass auch die Form der Kunst universell ist. Das Talent des Künstlers/ der Künstlerin, seine/ihre eigene Kraft und seine/ihre künstlerischen Elemente verleihen der Kunstform eine umfassende Form, indem sie mit der Form und den Gefühlen der Gesellschaft in Einklang gebracht werden. Die meisten Themen der Kunst sind die Probleme der zeitgenössischen Gesellschaft, die Persönlichkeit tritt in dem zu diesem Zweck geschaffenen Werk in den Hintergrund, und die Reflexion der Bedürfnisse der Gesellschaft ist in ihrem Schaffen deutlich sichtbar. In einer solchen Situation möchte der/die Künstler:in durch objektiven Ausdruck inneren Frieden erlangen. In dieser Situation wählt er/sie seinen/ihren eigenen Weg, um sein/ihr Ziel zu erreichen, kann aber niemals von der Gesellschaft getrennt bleiben. Das Ziel des Genusses und der Selbstermächtigung des Betrachters/der Betrachterin steht jedoch über den technischen Prinzipien. Ausgehend von der Theorie ist in der ersten Situation die geschaffene Kunstform rein und originell, während in der zweiten Situation die Kunstform praktisch wird und die Originalität verloren geht, um das Ziel zu erreichen. Infolgedessen müssen viele Techniken übernommen und in Form von Kunsthandwerk präsentiert werden.

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich? 

Kunst (Zeichnen und Malen) ist ein visueller Ausdruck, mit dem man seine eigenen Gedanken und Gefühle zu einem Thema ausdrücken kann. 

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Kunst wirkt sich auf die Gesellschaft aus, indem sie das Denken der Menschen verändert, Ideale setzt und Erfahrungen über Zeit und Entfernung hinweg weitergibt. Studien zufolge beeinflusst Kunst die grundlegenden Emotionen eines Menschen.

 

Titel: “Peace” 

Technik: Plakatfarbe 

Masse: 21 x 29.7 cm. 

von Ravi Kumar 

Aligarh U.P., Indien, Asien

 

 

Juan Tardivo aus Deutschland 

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Kunst ist für mich zweierlei: Einerseits ist sie ein Instrument der Kommunikation und des offenen Dialogs mit anderen, sie ermöglicht uns einen direkten Austausch von Ideen und Wissen über die kulturelle Vielfalt und wie sie dargestellt werden kann. Andererseits ist Kunst auch ein Ausdrucksmittel, das uns Selbsterkenntnis und innere Reflexion auf der Suche nach der Idee des Seins ermöglicht, eine philosophische/spirituelle Meditation, die uns hilft, unsere Gedanken zu «entwirren», um die Welt auf eine andere Art und Weise «klarer» sehen zu können. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents? 

Ich betrachte mich als transkulturelle Künstlerin, denn ich gehöre keinem bestimmten Ort an, sondern tauche in die Realität und die Komplexität der gegenwärtigen Welt ein, ohne die innere Suche aufzugeben. Bei der Darstellung und der künstlerischen Suche, die ich betreibe, ist es ziemlich schwierig, eine Zugehörigkeit zu meinem Herkunftsland (Argentinien) oder zu dem Land, in dem ich derzeit lebe (Deutschland), festzustellen. Obwohl meine künstlerische Ausbildung zunächst in Argentinien und später in Italien stattfand, repräsentiert sie kein Land im engeren Sinne, sondern ist eher ein Hybrid aus Farbe und Bild, in dem sowohl lateinamerikanische als auch europäische Elemente zu finden sind, die jedoch zur allgemeinen Vorstellung der westlichen Kultur gehören. Kunst als Migrationsinstrument. 

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Jede Kunst und jede:r Künstler:in trägt etwas zur Gesellschaft bei, ebenso wie jede:r Einzelne:r in seinem täglichen Handeln. Der Mensch ist derjenige, der die Gemeinschaft erschafft und verwirklicht, und diese wird wiederum von jedem Einzelnen verändert. Ich glaube, dass meine Kunst einen Blick, einen Austausch, eine Darstellung, eine Art des Denkens und Schaffens, eine Möglichkeit der Suche bietet, in der sich der andere gespiegelt, verstanden und respektiert fühlen kann. Sie versucht, eine Liebkosung für diejenigen zu sein, die verzweifelt oder einsam sind - sozial und gleichzeitig eine Kritik an den Vorschriften, die sie uns auferlegt, eine kleine persönliche Rede, die versucht, universell im Thema zu sein, um am Individuum zu arbeiten.

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich?

Die künstlerische/intellektuelle Verwirklichung ist das Einzige, was ich auf der Suche nach Wissen und Selbsterkenntnis für möglich halte, eine persönliche Psychoanalyse, die nach Selbstbestimmung und dem Verständnis meiner Existenz in dieser Realität strebt. Jedes Mal, wenn ich vor einer Leinwand oder einer leeren Seite stehe, weiss ich, dass dies ein Teil des Weges ist, den ich gehen muss, um diese Suche zu vertiefen, eine Meditation über kreatives Handeln. Ich glaube auch, dass ich Kunst mache, weil es mein Weg ist, zu kommunizieren, einen Dialog mit jemandem zu führen, den ich nicht kenne. Die Ausdrucksfähigkeit, die ich darstellen kann, ist viel interessanter oder tiefgründiger als das, was ich mit Worten in einer «normalen» Kommunikation sagen kann, da ich keine Person bin, die leicht mit anderen reden kann, also finde ich in der Kunst eine mögliche Kommunikation zwischen meinem Äusseren und meinem Inneren.

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Kunst ist die Fähigkeit des Menschen, sich auszudrücken und nach einer gemeinsamen Idee von der Welt zu suchen, in der wir eine neue soziale Realität gestalten können. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, wenn wir uns bewegen, selbst bei kleinen alltäglichen Handlungen, könnten wir an den Austausch mit der Kunst denken, einen grosszügigen Austausch mit dem anderen, der uns hilft, eine grosse Gemeinschaft zu bilden, die im Dialog und im Ausdruck einen Weg findet, den Unterschieden und Problemen zu begegnen, die uns täglich begegnen. Die Bedeutung der Interkulturalität liegt in diesem Austausch, der für das gemeinsame Wachstum notwendig ist, denn hierin liegt die Tugend der Überwindung der Dogmen, die wir uns als getrennte Gesellschaft auferlegen, das Kennen und Verstehen des anderen führt uns dazu, uns selbst in den Tiefen unserer Individualität zu verstehen und zu kennen.

 

Titel: “Come out into the ligth” 

Technik: Öl auf Leinwand. 

Masse: 200 x 160 cm. 

von Juan Tardivo 

München, Deutschland, Europa

 

 

Tingyi Maria Huang aus den USA 

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Kunst ist für mich die leuchtende Essenz des Lebens. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents 

Meine Kunst ist eng mit dem kulturellen Gefüge meines Heimatlandes China sowie mit den Orten verbunden, an denen ich in Europa und derzeit in den USA gelebt habe. Ich lasse mich von ihren historischen Erzählungen, architektonischen Wundern und einzigartigen sozialen Nuancen inspirieren.

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Durch meine Kunst möchte ich hier in den Vereinigten Staaten, wo ich lebe, Freundlichkeit, Demut und Frieden unter den Menschen und der Gesellschaft fördern. 

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich?

Die vielfältigen Rhythmen der verschiedenen Kunstformen berühren die Tiefen meiner Seele und zwingen mich zum Schaffen. Mich treibt der Wunsch an, die tiefen Gefühle, die diese Formen hervorrufen, mit denen zu teilen, die mir am Herzen liegen. 

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Je höher die Ideale, desto reiner das Leben; je aufrichtiger die Gefühle, desto künstlerischer die Sprache.

 

Titel: “Blank” 

Technik: Pastell 

Masse: 34 x 43 cm. 

von Tingyi Maria Huang 

Princeton, New Jersey, USA

 

 

Mata Kamaleshwari Thuley aus Australien

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Kunst ist der Atem des Lebens. Kunst ist Sinn. Sie ist Reichtum und Tiefe und ein zutiefst privater Teil von mir, der sich den Betrachtenden offenbart. Kunst ist die Art und Weise, wie das Bewusstsein sich in diesem Leben durch mich ausdrücken möchte. Sie ist ein Ausfluss meiner Seele und auch meine Therapie. Ich glaube, dass Werke aus einem Ort des Seins visuelle Sutras sind. Das Älterwerden und der lange, schwierige Weg, eine Künstlerin sein zu können, haben mich gelehrt, mich um nichts anderes zu kümmern als um den göttlichen Ausdruck und die Feier des kreativen Prozesses. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents 

Ich wurde in Stockholm, Schweden, geboren und verbrachte meine Kindheit hauptsächlich im Ausland, in Skandinavien, den USA und Asien. Die Liebe zur schwedischen Volkskunst und zu den lokalen asiatischen Tribal-Stoffmuster oder zu chinesischer Tuschemalerei und -designs hat mich sehr geprägt und mir die Liebe zu Kultur und Farbe vermittelt. Der Umzug nach Australien und der unglaublich lebendige und gesunde Lebensstil hier haben mir geholfen, mich frei auszudrücken. Die Liebe zur lebendigen, unberührten Landschaft und ihren Farben haben mich dazu inspiriert, australische Farbpaletten zu verwenden. Allerdings werden Künstler:innen in Australien nicht so sehr unterstützt, und meine Familie hat es mir nicht erlaubt, meine Karriere zu verfolgen. Ich musste das alles als Erwachsener machen.

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Die Kunst in Australien scheint im Moment hauptsächlich politisch zu sein und versucht immer, einen Standpunkt zu vertreten. Ich freue mich darauf, dass es nicht immer so sein muss. Wir haben hier eine starke, einzigartige indigene Kunstszene, die meine Arbeit auch durch die Geschichten und Symbole beeinflusst hat, die wir als Kinder gelernt haben. Ich finde es toll, wie Künstler:innen in Australien die Möglichkeit ergreifen, ihr eigene:r Chef:in zu sein und mit ihrer Arbeit und ihrem Geschäft unternehmerischer zu sein. Das ist aufregend. Wir scheinen populäre und dekorative Kunst nicht nur für Wände, sondern auch für Kleidung, Haushaltswaren usw. zu schätzen. 

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich?

Weil Künstler:innen dafür gemacht sind. Wir kreieren. Wir sind sensibel, intuitiv, aufmerksam. Wir sehen, fühlen und bemerken die Dinge auf eine Art und Weise, die wichtig ist, um die Gesellschaft so zu erfassen, wie sie ist. Wir haben kaum eine andere Wahl, wenn wir ein gesundes und erfülltes Leben führen wollen, und glaube mir, ich weiss das aus eigener Erfahrung, denn ich war lange Zeit nicht in der Lage zu malen, aber ich war immer auf irgendeine Art und Weise kreativ. Was auch immer ein:e Künstler:in tut, ist Kunst. Ich bin eklektisch und liebe das Leben, und die Kunst spiegelt dies für mich wider. Ich liebe alles, vom schwedischen Maler Carl Larsson über den Norweger Edvard Munch, die Strassenkunst Mexikos und Brasiliens, religiöse indische Kunst, japanische Zen-Kunst und grossartiges, kantiges urbanes Grafikdesign bis hin zu wunderschön illustrierten Kinderbüchern. Ich verehre die Symbolisten. Ich liebe alles, aber vor allem das, was der Fantasie und nicht der Realität entspringt.

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Mitgefühl. Einsicht. Bildung. Empathie. Freude. Feiern. Respekt. Lebendigkeit. Menschlichkeit. Puja. Ausdruck. Einigkeit. Freiheit. Geschichten. Ausbreitung. Verbindung. Geben. Teilen. Extra. Farbe. Beteiligung.

 

Titel: “Jivan Mukti

Technik: Mixed media auf Leinwand. 

Masse: 101.6 x 101.6 cm. 

von Mata Kamaleshwari Thurley 

Melbourne, Australien

 

Hakim Altlis aus Libyen 

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Für mich ist Kunst meine Art, die Welt zu sehen, Kunst ist mein Werkzeug zur Kommunikation und des Ausdrucks. Kurz und bündig: Kunst ist Leben. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents 

Wenn man bedenkt, dass Kunst eine Identität ist und dass ein Mensch ein Spiegelbild seiner Erfahrungen und seiner Umgebung ist, ist es nur natürlich, dass Kunst auch die eigene Kultur widerspiegelt, ob bewusst oder unbewusst. Für mich ist Kunst ein Spiegelbild der Realität, in der ich lebe. Ich lebe derzeit in Tripolis, Libyen, auf dem afrikanischen Kontinent.

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes Kunst trägt dazu 

Kunst trägt dazu bei, humanitäre und soziale Probleme aufzuzeigen. Kunst wird auch als eine Form der Dokumentation angesehen, und da ich aus einem instabilen Land komme, sehe ich es als meine Pflicht an, das, was ich sehe, zu dokumentieren und in meiner Arbeit zu vermitteln.

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich?

Ich betreibe Kunst, weil ich glaube, dass meine Art, die Dinge zu sehen, sehenswert ist. Was meine Inspirationen angeht, so sind alle Dinge des Lebens hier eine Quelle der Inspiration. 

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Ich benutze eines der ältesten Medien der Kunst, um durch kurze Geschichten den Schmerz, das Leid und die politischen/gesellschaftlichen Probleme auszudrücken und zu erforschen, die mein Land und meine Region während ihrer Instabilität erlebten. Meine Skizzen sind unbetitelt, damit sie den Betrachtenden nicht die Wahrnehmung der Illustration verstellen.

 

Titel: “Untitle” 

Technik: Kohle auf Papier. 

Masse: 101.6 x 101.6 cm. 

von Hakim Altlis 

Tripoli, Libyen, Afrika

 

 

EINIGE VERBINDUNGEN, VIELE STIMMEN, NEUE IDEEN 

 

Als Künstler, der in Lateinamerika, in Argentinien, geboren wurde und mehr als 58 Länder bereist hat, um zu forschen, zu arbeiten, zu experimentieren und verschiedene Kulturen kennenzulernen und der heute in der Schweiz lebt, kann ich diese 5 Fragen wie folgt beantworten: 

Die künstlerischen, literarischen und akademischen Kreationen meiner professionellen Arbeit zielen darauf ab, die verschiedenen Bereiche der menschlichen Existenz und ihre Beziehung zur Natur, zur Kultur und zum Universum zu verstehen, zu erforschen und das Staunen darüber auszudrücken.

Farbe, Worte und Formen verschmelzen, um die Betrachtenden einzuladen, die Themen zu erforschen, die sich durch das Leben der Gesellschaften und Kulturen unseres Planeten ziehen. Kunst, die Ideen und Konzepte manifestiert und tiefe Realitäten sichtbar macht: Lebewesen, Migrationen, Klimawandel, künstliche Intelligenz, Gesellschaft, Existenz, Frieden, Wissenschaft, biologische Vielfalt, Krieg und Interkulturalität.

 

Titel:“Being” 

Technik: Acryl auf Leinwand. 

Masse: 120 x 80 cm. 

von Cris 

Bern, Schweiz

 

Diese Erforschung gibt uns die Möglichkeit, den Stimmen verschiedener Künstler:innen zuzuhören, die in unterschiedlichen Regionen der Welt leben und in ihrer Kunst verschiedene kulturelle Lebensweisen auf der Erde zum Ausdruck bringen. Kunst als Mittel und als Selbstzweck, Interkulturalität als Tür zum Dialog mit uns selbst und mit anderen. Indem wir anderen zuhören, können wir vielleicht auch unsere eigene Stimme hören und sie aus der Kunst und Kultur, die in uns lebt, heraushören. 

Kunst ist ein Weg zur friedlichen Koexistenz zwischen Kulturen, Kunst ist ein Katalysator für soziale Konflikte, Kunst ist ein Weg zu einer Welt ohne Kriege. Indem wir den Recherchen, den Geschichten und den Betrachtungen der Künstler:innen zuhören, lernen wir neue Wege kennen, um uns verschiedenen Kulturen und Menschen zu nähern. 

In ihrer Freiheit des Ausdrucks werden neue Welten entdeckt. Um auf Goethes Worte zurückzukommen:

In jedem Künstler steckt ein Keim des Wagemuts, ohne den kein Talent denkbar ist und der besonders dann aktiviert wird, wenn versucht wird, den begabten Menschen einzuschränken und ihn für allzu einfache Zwecke einzustellen und zu benutzen. (J.W. von Goethe, “Maximen und Reflexionen”, 1833. Postum Edition, 2021, p. 32)

 

Fig. 2: Juan Tardivo & Cris im Künstleratelier in Bologna, Italien. Foto Credit: ©CRIS / August, 2019. 

 

Dank ihrer kühnen und vielfältigen Stimmen, ihrer Kunst voller Farben, Texturen und vielfältiger Nuancen, fanden wir die Suche nach Wissen, Schönheit und Kommunikation gemeinsam. Angesichts der Herausforderungen, die die Kunst den Künstler:innen auf der ganzen Welt stellt, sehen die Menschen in den künstlerischen Ausdrucksformen sich selbst und finden einen Spiegel vor, in dem sie ihr Inneres und die Welt um sie herum reflektiert sehen können. 

Die Kunst ermöglicht es uns, über soziale, kulturelle oder historische Unterschiede hinwegzusehen, zu erkennen, dass wir gleichwertige und zugleich vielfältige Menschen sind. Jeder von uns hat eine Geschichte zu erzählen, ein Bild zu malen oder eine Kultur zu bewahren. In Zeiten von künstlicher Intelligenz, Klimakrise und Kriegen sind Kunst und Künstler:innen die Stimmen, die uns helfen, das wunderbare Geheimnis der menschlichen Existenz zu verstehen, zu hinterfragen und zu erforschen.

 

von Cris 

Spezialist für Immigration and Interkulturelle Vermittlung

Bachelor in Internationalen Beziehungen 

Schriftsteller and Künstler

 

Im zweiten Teil des Artikels, «Kunst & Interkulturalität: Der kreative Dialog zwischen den Kulturen - TEIL II», werden wir neue Stimmen von Künstler:innen zu denselben Fragen hören. Im Teil 2 erfährst Du ausserdem, welche Schlussfolgerungen aus den unterschiedlichen Perspektiven auf die Beziehung zwischen Kunst, Interkulturalität und Künstler:innen aus verschiedenen Teilen der Welt gezogen werden können.

 

BIBLIOGRAPHIE UND QUELLEN 

• J.W. von Goethe (1883). «Máximas y Reflexiones». Postum Edition, 2021. Madrid España. ISBN: 978-84-350-9169-5. 

• ChatGPT (2023)