Kunstbegegnung: KUNST & INTERKULTURALITÄT - Der kreative Dialog zwischen den Kulturen von Cris (TEIL II)

20.11.2023
CRIS

Künstler:innen sind transparente Bildschirme, auf denen man die Welt, die Kultur und das tiefe innere Universum der menschlichen Spezies betrachten kann; jede Epoche erzeugt Kreationen, die einzigartige ästhetische, moralische und kulturelle Werte manifestieren. Wie wir in den Kunstwerken aller Künstler:innen von art24 sowie in den Worten der im Teil 1 dieser Untersuchung befragten Kunstschaffenden feststellen konnten, ist die Kunst ein Weg der Entdeckung, Erforschung und Kommunikation, auf dem sich Künstler:innen, Betrachter:innen und Gesellschaften verwandeln, sich begegnen und in Dialog treten. 

Die Kultur verändert sich ebenso wie der Mensch ständig, und in diesem Sinne koexistieren alte kulturelle Traditionen, neue Technologien und künstliche Intelligenz in einer zunehmend komplexen Welt. Der interkulturelle künstlerische Dialog ist auch generationenübergreifend, multidisziplinär und vielschichtig. 

In diesem Teil II des Artikels Kunst & Interkulturalität: Der kreative Dialog zwischen den Kulturen werden wir zusätzlich zu den bisherigen Beiträgen neue Stimmen hören, um unsere Perspektive auf die Beziehung zwischen Kunst, Interkulturalität und Künstler:innen aus verschiedenen Teilen der Welt zu untersuchen, zu reflektieren und zu bereichern.

 

Titel: »Evolution»

Technik: Acryl auf Leinwand. 

Masse: 120 x 60 cm. 

von Cris 

Bern, Schweiz

 

Ketut Murtayasa aus Indonesien / Asien 

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Die Definition von Kunst ist meiner Meinung nach der Ausdruck eines Gefühls, das in verschiedenen Medien ausgedrückt wird, sei es visuell, in Texten, in Bewegung und so weiter. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents? 

Kunst und Kultur oder Bräuche sind in meinem Umfeld miteinander verbunden. Sie unterstützen sich gegenseitig, vor allem in der sozialen Ordnung des Lebens auf Bali. Alle Aspekte des Lebens basieren immer auf der Kunst, und die Kunst basiert auf der Kultur bzw. die Lebensgewohnheiten beeinflussen die Kunst, und die Kunst beeinflusst die Umwelt und die Lebensgewohnheiten. 

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Die Kunst leistet einen grossen Beitrag zum Leben und zur Lebensordnung der Menschen auf Bali. Da jede Ebene und Ordnung des Lebens in Bali auf der Kunst basiert, beeinflusst sie alle Aspekte des Lebens, sowohl in Bezug auf den wirtschaftlichen Umsatz als auch auf das tägliche Leben dank des Kunstbeitrags. 

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich? 

Ich schaffe Kunstwerke einerseits aufgrund der Forderungen meiner Seele, die mich dazu anspornt, eine Botschaft zu vermitteln, andererseits möchte ich auch das kulturelle Erbe durch Kunstwerke bewahren, inmitten des Wandels der Zivilisation und der Zeiten. Die Mythologie, die Kultur, die Lebensgewohnheiten der Menschen, die Probleme des Lebens und so weiter inspirieren mich immer wieder, in meiner Kunst der Führung meiner Seele zu folgen. 

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Kunst ist ein Ausdruck von Gefühlen, die in vielen Medien im Leben ausgedrückt werden, jede Seele wird sich in den gleichen Gefühlen treffen, die gefühlt und gesehen werden. 

 

Der Titel «Tri Hita Karana» meiner Kunstwerke bedeutet u.a.: Gleichgewicht der Beziehungen: 

1. Menschliche Beziehung zu Gott

2. Menschliche Beziehungen zu den Menschen. 

3. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur.

 

Titel: «Tri Hita Karana»

Technik: Tusche and Öl auf Leinwand. 

Masse: 150 x 200 cm. 

von Ketut Murtayasa 

Bali, Indonesien 

 

Madeleine Farhounmand aus der Schweiz/ Europa

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Kunst ist für mich die Manifestation von Kreativität - ein grundlegender und wesentlicher Aspekt unserer menschlichen Existenz. Sie ist die Lebenskraft, die uns nicht nur als Spezies vorangebracht hat, sondern auch kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Grenzen überwunden hat. Im Laufe der Menschheitsgeschichte war die Kunst ein ständiger Wegbegleiter, der es uns ermöglichte, unsere Gedanken, Gefühle und Erfahrungen auf eine Weise auszudrücken, wie es Worte allein oft nicht können. Sie ist ein mächtiges Kommunikationsmittel, eine universelle Sprache, die die Kluft zwischen Menschen und Kulturen überbrückt. Kunst hat die bemerkenswerte Fähigkeit, das Wesen unserer gemeinsamen Menschlichkeit einzufangen und ist ein Zeugnis für unsere Fähigkeiten zu Phantasie und Innovation. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents? 

Meine Kunst spiegelt das Zusammenspiel zwischen dem Universellen und dem Spezifischen wider, inspiriert von meiner Schweizer Herkunft und der globalen menschlichen Erfahrung. Die dauerhafte Neutralität der Schweiz prägt meinen kreativen Weg und fördert das Engagement für einen offenen Dialog und die Zusammenarbeit. Ich wende verschiedene Techniken ohne Einschränkungen an und verwende oft weggeworfene Materialien neu. Die Rolle der Schweiz als kultureller Knotenpunkt, dank ihrer zentralen Lage in Europa, weckt in mir eine tiefe Wertschätzung für die Kraft des kulturellen Austauschs. Wie die Diplomatie der Schweiz überbrückt auch meine Kunst Gräben, vereint verschiedene kulturelle Perspektiven und schafft etwas, das Grenzen überschreitet. Meine Kunst verbindet das Universelle mit dem Lokalen und schöpft aus dem Ethos der Neutralität, der kulturellen Vielfalt und der atemberaubenden Landschaft der Schweiz. Sie zeugt von der Kraft der Kunst, Grenzen zu überwinden und davon als Medium für interkulturellen Dialog und Verständnis zu dienen, ähnlich wie der Ruf der Schweiz als friedliche Diplomatie.

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Die Kunst ist eine vitale Kraft, die die Schweizer Gesellschaft bereichert und die universellen und transzendenten Qualitäten der Kreativität widerspiegelt. Die Wertschätzung der Schweiz für Kunst und Kultur wird durch die Art Basel verkörpert, eine weltweit bekannte Kunstmesse, die das Engagement des Landes für die Förderung des kulturellen Austauschs und der Einheit symbolisiert. Die jährlich in Basel stattfindende Art Basel präsentiert vielfältige künstlerische Ausdrucksformen aus der ganzen Welt und bringt Künstler:innen, Sammler:innen und Liebhaber:innen im Geiste des Friedens zusammen. Diese Veranstaltung überschreitet geografische und kulturelle Grenzen und steht in der Tradition der Neutralität der Schweiz, die eine neutrale Plattform für den künstlerischen Austausch bietet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kunst in der Schweiz das kulturelle Verständnis fördert, die Vielfalt unterstützt und durch Veranstaltungen wie die Art Basel als Plattform für den interkulturellen Dialog dient. Dies spiegelt die zentralen Werte der Schweiz, nämlich Neutralität und Frieden, wider und unterstreicht das tiefgreifende Potenzial der Kunst als eine starke Kraft für Einheit und interkulturellen Austausch in unserer heutigen Welt. 

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich? 

Ich schaffe Kunst als ein tiefgründiges Mittel, um die spirituellen Dimensionen der Existenz zu erforschen und mich sowohl mit meinem inneren Selbst als auch mit der Welt, die uns umgibt, zu verbinden. Der Akt des künstlerischen Schaffens ist eine spirituelle Reise, eine übergeordnete Erfahrung, die uns über die Grenzen des Alltäglichen hinausführt und einen tiefgründigen Zugang zu den komplexen Geschichten des Lebens bietet. Was mich inspiriert, ist die universelle Sprache der Kunst, die sich über Zwänge und Grenzen hinwegsetzt. Diese universelle Sprache ermöglicht es uns, die tiefsten Aspekte unseres Menschseins auszudrücken und dient als Brücke zwischen der materiellen und der spirituellen Welt. Sie geht mit unserem Wesenskern in Resonanz und vereint die Menschheit in einer gemeinsamen Erkundung unseres inneren Selbst und der Welt, die wir bewohnen. In diesem kreativen Prozess finde ich den wahren Zweck unserer Existenz und ein Mittel, die Schatten unserer Eitelkeit zu enthüllen. Kunst ist ein Mittel zur Selbstbeobachtung, Reflexion und Kommunikation, das uns erlaubt, unsere tiefsten Gedanken, Gefühle und Erfahrungen auszudrücken. Durch mein kreatives Schaffen möchte ich zu einem breiteren Gespräch über die menschliche Erfahrung beitragen und dabei die Grenzen von Sprache und Kultur überwinden. 

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Als Brücke zwischen den Kulturen verkörpert die Kunst universelle Qualitäten. Sie ist ein Gefäss für spirituellen Ausdruck und vereint die Menschheit, indem sie Trennungen überwindet. Der Akt des Schaffens und Erlebens von Kunst ist eine spirituelle Reise, die uns mit etwas Grösserem verbindet und unsere Verbundenheit über kulturelle Hintergründe hinaus betont. Interkulturalität durch Kunst befähigt den Einzelnen, sein Erbe anzunehmen und gleichzeitig die Vielfalt zu feiern. Sie ist ein wirkungsvolles Instrument für den Dialog und fördert Empathie und Einheit. In einer von Spaltung geprägten Welt fördert die Kunst Verbindungen und Verständnis. Kunst stellt sich eine Welt vor, in der kulturelle Vielfalt zu Stärke und nicht zu Spaltung führt. Sie zelebriert unser gemeinsames Menschsein, fördert geistiges Wachstum und setzt sich für Werte wie Frieden, Einheit und Selbstbestimmung ein. Unsere Unterschiede werden zu Quellen der Schönheit und schaffen einen harmonischen Wandteppich, in dem jede Kultur ihren einzigartigen und wichtigen Beitrag leistet.

 

Titel: «Transience of the Earthly Vanity of Man» 

Technik: Acryl auf Leinwand. 

Masse: 60 x 60 cm. 

von Madeleine Farhoumand 

Zürich, Schweiz

 

 

Monica Sarmiento Archer aus den Vereinigten Staaten/ Amerika 

 

1. Was bedeutet Kunst für Dich? 

Die Kunst wurde in mir als ein inneres Bedürfnis nach Reflexion und Analyse geboren, um das Universum und seine Entwicklung zu verstehen, und durch die Kunst bin ich dazu gekommen, meine Welt in den akademischen Bereich, das Kulturmanagement und die Schaffung meiner eigenen Arbeit zu integrieren. 

 

2. Welche Verbindung besteht zwischen Deiner Kunst und der Kultur Deines Geburtslandes, der Region, in der Du derzeit lebst oder Deines Herkunftskontinents 

Durch künstlerischen Ausdruck, Malerei, Bildhauerei und Poesie habe ich meine Anliegen zum Ausdruck gebracht. Eine Erfahrung, die sich einerseits aus dem Studium der Natur und des Menschen ergibt und eine eigene Sprache schafft. Und andererseits, um die kulturelle Identität meines Herkunftslandes Ecuador in Lateinamerika zu erkennen, mit der grossen Vielfalt präkolumbischer Kulturen, jede mit ihren eigenen ästhetischen und historischen Merkmalen. 

 

3. Welchen Beitrag leistet die Kunst für die Gesellschaft Deines derzeitigen Landes? 

Kunst ist wichtig, weil sie die Gesellschaft transformiert. Künstlerische Manifestationen sind Teil der Kultur, durch sie können wir den Übergang von Zivilisationen nachweisen, wir können etwas über Bräuche und Traditionen lernen und gleichzeitig zur Entwicklung zukünftiger Generationen beitragen, sie sind das Zeugnis dessen, was wir leben, was wir sind, was wir erleben, sie stellen die Spuren dar, die wir in der Zeit hinterlassen. 

 

4. Warum machst Du Kunst und was inspiriert Dich? 

Ich begann, mich auf die Förderung meines Landes Ecuador, der Kunst meines Mentors Meister Estuardo und meiner eigenen Kunst zu konzentrieren. 2007 gründeten wir die Galerie CosmoArte Siglo XXV in Alicante, Spanien, wo wir mit Projekten lateinamerikanischer Meister:innen begannen. Heute sind wir etabliert und können aufstrebende Künstler:innen präsentieren. Auch in New York sind wir durch meine Arbeit bei bi/Coa (Base Intercultural / Community of the Americas) zu einer Referenz für kulturelle und akademische Projekte in Lateinamerika geworden. Wir haben ein außergewöhnliches Team von Fachleuten aus ganz Iberoamerika, mit denen wir enthusiastisch und aktiv zusammenarbeiten.

 

5. Einige Worte über Kunst und Interkulturalität, die Du uns mitteilen möchtest.

Mein ganzes Leben lang bin ich durch die ganze Welt gereist, was mir eine gleichberechtigte Interaktion ermöglicht hat, die die grosse Vielfalt der Kulturen anerkennt. Von New York aus und durch meine Arbeit in bi/Coa sind wir zu einem Bezugspunkt geworden, der gemeinsame kulturelle Ausdrucksformen hervorbringt, durch Dialog und gegenseitigen Respekt, der in ständiger intellektueller und künstlerischer Ausbildung arbeitet.

 

Titel: «Reflection I»

Technik: Rostfreier Stahl 

Masse: 50 x 50 cm. 

von Monica Sarmiento Archer 

New York, USA

 

 

EINE VIELFÄLTIGE KULTURELLE WELT IM DIALOG DURCH KUNST 

 

Diese Forschung trägt zur interkulturellen Begegnung der verschiedenen Gesellschaften der Welt bei, da Kunst eine Brücke ist, die durch Formen, Farben, Texturen und verschiedene Techniken die Visionen der einzelnen Künstler:innen und Kulturen vermittelt. In den Kunstwerken können wir die innere und äussere Realität der Künstler:innen sehen, und wir können auch neue Realitäten erträumen, wenn wir in ihre mit Worten geschaffenen Gemälde eintauchen.

 

Titel: «Inside & Outside»

Technik: Acryl auf Leinwand. 

Masse: 120 x 60 cm. 

von Cris 

Bern, Schweiz

 

In der Kunst können wir neue Ideen, originelle Lösungen und kühne Ansätze finden, die es uns ermöglichen, die grossen menschlichen Probleme wie Krieg, Klimakrise, technologische Störungen, soziale Ungleichheit, die Konfrontation zwischen den Kulturen oder die Krise der Werte zu bewältigen. Wenn wir die verschiedenen kulturellen Erscheinungsformen der Menschheit betrachten, tauchen wir in neue Welten und mögliche Universen ein. Um diesen Teil II des Artikels abzuschliessen, möchte ich auf die Worte des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe zurückkommen:

Wir bereiten eine Schrift zu diesem Thema vor, in der wir beabsichtigen, alle Künstler, die uns bereits unter anderen Gesichtspunkten bekannt sind, unter ausschließlich ethischen Gesichtspunkten zu betrachten und anhand ihrer Themen und der Behandlung, die sie ihren Werken zuteil werden ließen, zu erhellen, was die Zeit und der Ort, die Nation und die Meister sowie ihre eigene unzerstörbare Individualität dazu beitrugen, sie zu dem zu machen, was sie waren, und sie in dem verharren zu lassen, was sie waren. (J.W. von Goethe, “Maximen und Reflexionen”, 1833. Postum Edition, 2021, S. 33)

 

Bild 1: Ketut Murtayasa & Cris im Künstleratelier in Tanah Lot, Bali, Indonesien. Foto Credit: ©CRIS / Juli, 2023.

 

Das Studieren des künstlerischen Schaffens verschiedener menschlicher Gesellschaften führt neue Bedeutungen, Symbole und Konzepte ein, die mit dem bereits erworbenen Wissen in Kommunikation treten. In diesem Zusammenhang hat die Kunst eine wesentliche transformierende Kraft, da sie eine Sprache voller Nuancen, Sensibilitäten und Freiheiten ist. 

Wenn wir die Museen und Kunstmessen der Welt besuchen, vom MoMA in New York bis zur Art