White Canvas #11 Mu und ein Rückblick auf die Kunst beiderseits des «Flow»-Zustands

21.09.2023
Mu

Der Flow-Zustand ist ein Zustand, in dem alles in den Hintergrund tritt, das Zeitempfinden irrelevant wird und unsere Kreativität zunimmt. In diesem Text beschreibe ich, wie ich dieses Gefühl erlebe.

Der «Flow»-Zustand

Wie bei jedem schöpferischen Akt ist es schwer zu wissen, wo man anfangen soll. Um sich in die richtige Stimmung zu versetzen, wird oft vorgeschlagen, einen entspannenden Ort mit wenig Ablenkung zu finden. Manche Menschen nutzen Musik oder einen laufenden Fernseher im Hintergrund, um sich abzulenken - von sich selbst. Umgebungsgeräusche, Chöre, binaurale Beats, Stille - all das kann dazu beitragen, die innere und äussere Welt aufzuweichen. Das Ergebnis ist ein "Eins-Sein", ein " Alles-Sein" und die Amnesie, die oft damit einhergeht, eine leere Leinwand oder einen Bildschirm in Kunst zu verwandeln.

Bild 1: Mu, Hands, Digital Art.

Der grösste Sprung des Vertrauens ist schlicht und einfach der Anfang, der Moment, in dem der Pinsel auf die Leinwand kommt oder die erste digitale Form entsteht. Die Gedanken des Tages verblassen, verschwimmen und entschwinden mit jedem Schwung oder Klick. Dies ist ein Sprungbrett, von dem aus man in den "Flow-Zustand" eintreten kann, ein Konzept, das der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi eingeführt hat, das aber uralt ist. Csikszentmihalyi drückt es so aus: "[Der Flow-Zustand ist] ein Zustand, in dem die Menschen so sehr in eine Tätigkeit involviert sind, dass nichts anderes wichtig zu sein scheint; die Erfahrung ist so angenehm, dass die Menschen sie auch unter grossem Aufwand fortsetzen, einfach nur um der Tätigkeit willen." Jede:r Künstler:in weiss genau, wovon er spricht. Hast du schon einmal vergessen zu essen oder kaum bemerkt, wie sich die Farben des Zimmers mit dem Auf- und Untergang der Sonne verändern, weil du so intensiv an einem Kunstwerk gearbeitet hast?

Bild 2: Mu, Infinite Babies, Digital Art.

Das Erleben des Flow-Zustands ist so, als ob man sich selbst beim Schaffen zuschaut, wie die Worte sich selbst schreiben, die Bilder sich ohne Hilfe anordnen, die Wahl der Farben und Winkel scheinbar vorherbestimmt und organisiert sind und sich ohne Hilfe mühelos aneinanderreihen; der höchste Punkt des Flow-Zustands ist die Abwesenheit des Zeugen selbst. Jedes Lied, Sonett, Gemälde, Stück und Gedicht ist aus diesem Zustand der "Seinslosigkeit" entstanden. Im tiefen Flow-Zustand träumt man nicht, es gibt kein Geschwätz und keine Bilder, die leise Stimme und die Bilderschau wurden mit konzentrierter Konzentration übertönt, so still, dass sie völlig unbemerkt bleiben. Die Besonderheit des Flow-Zustands besteht darin, dass das "Du" vollständig verschwinden muss, um ihn zu erreichen. Tatsächlich müssen alle Gedanken und Gefühle den kreativen Raum vollständig verlassen haben. Dies ist ein zutiefst erstrebenswerter Zustand, der seit Tausenden von Jahren gesucht wird. Durch die Kunst ist er nicht nur erreichbar, sondern auch notwendig für das bestmögliche Ergebnis.

Bild 3: Mu, The Room, Digital Art.

Unglücklicherweise kann man den voll ausgeprägten Flow-Zustand aufgrund seiner besonderen Natur nie wirklich erleben. Als "Nicht-Zustand" tritt er nur in Abwesenheit von Namen, Wissen und den anerkannten Funktionen von Objekten, Zeit, Raum und des Selbst auf. Das Bewusstsein des "Du" ist das unerwünschte Gegenmittel, das Wissen, dass man sich im Flow-Zustand befand, ist ein rückwirkendes Ereignis. Wir alle kennen diesen Zustand vom Autofahren oder vom Ablauf einer gut eingeübten Routine, aber nur durch die Kunst kann man ein Souvenir mitbringen, das man sein Eigen nennen kann, das aber ausserordentlich wenig mit dem "Du" zu tun hat.

 

Hier kommst Du zu Mu's art24 Profil! Viel Spass beim Entdecken seiner Werke!

Ausserdem findest Du hier noch ein Interview, das wir mit dem Künstler führen durften. Darin erfährst Du mehr zu seinen Arbeiten und seiner Motivation, Kunst zu schaffen.