Künstlerkolonie Carlshöhe - Gegenwart

09.02.2023
Margit Buß

Margit Buß erzählt uns in drei Teilen von der Künstlerkolonie Carlshöhe bei Eckernförde. Sie nimmt uns mit in die Vergangenheit der Gebäude, in das Jetzt und was in Zukunft alles noch geplant ist. 

Gegenwart

Künstler und Künstlerinnen entdecken die Carlshöhe für sich. 

 

Im Jahre 2008 las ich in der Eckernförder Zeitung vom Verkauf der ehemaligen Kaserne Carlshöhe an den Investor Wolfram Greifenberg. In dem Artikel stand, dass er seine Planungen auf dem von ihm erworbenen Gelände der Öffentlichkeit vorstellen will. Ich beschloss an der Informationsveranstaltung teilzunehmen. Wie sich herausstellte, hatten ein paar Künstlerkollegen und -kolleginnen die gleiche Idee. Wir trafen uns in der Stadthalle und lauschten aufmerksam den Ausführungen des Investors Wolfram Greifenberg. Von sehr viel leerstehenden Gebäuden war die Rede, alte, brauchbare und zum Teil unter Denkmalschutz stehende Substanz solle erhalten werden.

… leerstehendes Gebäude

Gemischt mit neuen modernen Gebäuden solle ein neuer Stadtteil entstehen; in meinem ersten Blog habe ich ausführlich darüber berichtet. Direkt nach seinem Vortrag bot Wolfram Greifenberg an, Gespräche in kleiner Runde zu führen, um Fragen zu seinem Konzept zu beantworten. Zusammen mit anwesenden Künstlern und Künstlerinnen (Eckard Kowalke, Gudrun Adrion, Helmut R. Klein und einer Kieler Kunststudentin)  beschlossen wir, diese Chance zu nutzen. Unser Hauptanliegen war die Frage, ob bei den vielen leerstehenden Gebäuden möglicherweise Künstlerateliers eingeplant werden könnten. In und um Eckernförde gab es viele Künstler und Künstlerinnen, die Ateliers zu vertretbaren Mieten dringend suchten.

Blick in mein Atelier

Wolfram Greifenberg hatte sofort ein offenes Ohr für uns. Bis in die Nacht hinein wurde diskutiert und geplant. Neue Gesprächstermine wurden vereinbart: der erste Schritt war getan.

Planung Atelierhaus 78. Im Untergeschoss befindet sich die Galerie CARLS ART 78 und im ersten Stock die Kunstgasse 78 mit 15 Ateliers. 
Planung Atelierhaus 78. Im Untergeschoss befindet sich die Galerie CARLS ART 78 und im ersten Stock die Kunstgasse 78 mit 15 Ateliers. 

Die Carlshöhe, ein Gelände, das als aufgegebene Kaserne zehn Jahre im Dornröschenschlaf verbracht hatte, wurde erweckt: die ersten „Bewohner“ auf der Carlshöhe waren tatsächlich Künstler und Künstlerinnen.

Kunst entsteht… 
eine Ausstellung wird geplant.

 

Man stelle sich vor: ein ungeheures Gewusel von Handwerkern mit Baggern und Lastwagen, Gebäude wurden abgerissen, meterhohe Backsteinberge, und nach ihnen entstanden neue Häuser.

  …Neubauten
…Neubauten
…Neubauten

Die wunderschöne Natur, noch wild und ungezähmt, wurde liebevoll wieder hergerichtet. Es wurden Nistkästen für Vögel angebracht, seltene Schlüsselblumen, die nur auf der Carlshöhe zu finden sind, wurden sorgfältig umgepflanzt.

Nistkästen
Natur

An einem Tag, kurz vor Ende meines Studiums der Malerei in Berlin, rief ich ziemlich verzweifelt Wolfram Greifenberg an, ob er mir nicht einen Raum, und sei er noch so klein, auf der Carlshöhe vermieten könne. Mein Atelier wolle ich nach meinem Studium in Berlin aufgeben, um mich als freischaffende Künstlerin in Eckernförde zu etablieren. Die Carlshöhe war eine einzige Großbaustelle, eigentlich war es nicht möglich, jetzt dort etwas zu mieten. Dennoch bekam ich einen kleinen Raum, ca. 20 Quadratmeter, im Haus 44.

Atelierhaus 44

Mein Atelier in Berlin kündigte ich und zog 2009, nach sieben Jahren Berlin, wieder zurück nach Eckernförde. Als ich mein neues Atelier bezog, waren inzwischen auch andere Räume im Haus 44 an Künstler und Künstlerinnen vermietet. So z.B. befanden sich unten links Übungsräume der Sängerin, Gesangstrainerin und Musikmanagerin Claudia Piehl. Wenn ich spät am Abend im Atelier war, öffnete ich gerne die Tür und so konnte ich dem Gesang und dem wunderbaren Klavierspiel der Künstlerin lauschen. Im Keller hatte bereits Eckhard Kowalke Räume belegt. So kamen im Laufe der Zeit immer mehr Künstler und Künstlerinnen auf die Carlshöhe. 2010 wurde auf der Carlshöhe „Piehls Showpalast“ eröffnet, der später ins „Carls“ umbenannt wurde, und bis 2022 ein Veranstaltungsort für gut 200 Gäste war. Das „Carls“ entwickelte sich in kurzer Zeit zu einem Hotspot, in dem alle nur denkbaren kulturellen Veranstaltungen und Feiern aller Art stattfanden.

Carls
Carls

Wolfram Greifenberg suchte nach Möglichkeiten, weitere Ateliers auf dem Gelände zu bauen. Einige Ideen mussten aus Kostengründen, oder weil das Bauamt die Genehmigung verweigerte, wieder verworfen werden. Beispielhaft sei eine Idee erwähnt: sehr gut erhaltene Garagen in zweistöckige Ateliers umzubauen. Die Umbaukosten waren jedoch zu hoch, so dass die Garagen abgerissen werden mussten. Dem zunächst einzigen Atelierhaus 44 gesellten sich im Lauf der Jahre noch zwei Atelierhäuser hinzu: die Atelierhäuser 60 und 78.

 Atelierhäuser 44
 Atelierhäuser 60
 Atelierhäuser 78

In den jetzt drei Atelierhäusern gibt es ca. 70 Ateliers. In ihnen hat sich eine bunte, lebendige Kunstszene etabliert. Künstler und Künstlerinnen der verschiedensten Genres haben sich auf der Carlshöhe niedergelassen, wie zum Beispiel Bildende Künstler und Künstlerinnen, Bildhauer und Bildhauerinnen, Literaten und Literatinnen, Musiker und Musikerinnen, Kunsthandwerker und Kunsthandwerkerinnen. Darüber hinaus haben sich die Musik-und Kunstschule Kammhoff und der Kunstverein NaKu, sowie die Heimatgemeinschaft im Haus 44 eingemietet. Im Haus 60 hat sich neben den Ateliers, ein Figurentheater mit Museum etabliert. Im Atelierhaus 78 befindet sich in der gesamten unteren Etage die Galerie CARLS ART 78 mit 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche.

Aktuelle Ausstellung in der Galerie CARLS ART 78
Aktuelle Ausstellung in der Galerie CARLS ART 78

Die Galerie wird von zwei Künstlerinnen geführt, und zwar von Uta Masch und mir, Margit Buß. Beide haben wir unsere Ateliers direkt über der Galerie in der Kunstgasse 78. Hier habe ich mein Traumatelier gefunden: 120 Quadratmeter Arbeitsraum.

Kunstgasse
Kunstgasse
Mein Atelier und ich

Im Keller des Atelierhauses 78 findet die regionale Musikszene mit viel Raum für Ruhe und Kreativität: es gibt Tonstudios und Proberäume. Junge Talente und eingespielte Bands üben hier regelmäßig in acht Proberäumen, egal ob Klassik, Pop, Rock oder Jazz. Auch der Verein „Muckemacher e.V. Eckernförde“ in dem sich verschiedene Musiker zusammengeschlossen haben, hat ebenfalls seine Heimat auf der Carlshöhe gefunden.

Proberäume
Proberäume
Proberäume

Heute, im Jahre 2023, ist die Carlshöhe ein Ort der Kreativen und der Kreativität. Egal wohin man schaut, egal wohin man geht: in diesem weitläufigen, landschaftlich wunderschön gelegenen Gelände wird überdeutlich, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in einer Gesellschaft haben kann.

Hinweispylon auf der Carlshöhe

 

Margit Buß, Januar 2023