Gold, Feminismus und die Sache mit der weiblichen Fruchtbarkeit

18.09.2023
Viktoria Koestler

Unsere art24 Künstlerin Viktoria Koestler, die in Zürich lebt und arbeitet, hat im Juli/August 2023 drei Wochen auf einer neo-feministischen Künstlerresidenz in einem Schloss in Nordfrankreich verbracht. Primäre Ziele von Künstlerresidenzen sind in der Regel, eine ununterbrochene Arbeitsatmosphäre für neue oder laufende Projekte zu schaffen, kreative Stimulation durch die neue Umgebung zu bekommen und sich mit anderen internationalen KünstlerInnen über die eigene Praxis und Erfahrungen austauschen zu können. Künstlerresidenzen sind daher kein Urlaub für KünstlerInnen, sondern professionelle Orte, an denen KünstlerInnen zusammenkommen und arbeiten. Meist entscheidet das eingereichte Proposal über das geplante künstlerische Projekt, welches durch ein Auswahlkomitee durchgesehen wird, über eine Zu- und Absage oder der jeweilige CV des Künstlers/der Künstlerin, der zeigt, ob ein Künstler/eine Künstlerin zur jeweiligen Ausrichtung der Residenz passt.

Die Künstlerresidenz Centre Pompadour, Nordfrankreich

Seit 2017 heisst die Künstlerresidenz Centre Pompadour  - unter der Leitung der Gründerin und Künstlerin Michaela Spiegel - KünstlerInnen aus verschiedensten Sparten wie TänzerInnen, SchriftstellerInnen, Visual Artists etc. willkommen. Im Mittelpunkt des Centre Pompadours steht daher die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen feministischen Themen jeglicher Disziplinen. Verschiedenste Ansätze werden unter den ResidentInnen der jeweiligen Kohorte diskutiert und auch die eigene feministische Position soll reflektiert werden. In die Historie des Feminismus kann man sich durch die Bücher in der eigenen Bibliothek des Schlosses einlesen, welche auch zahlreiche Frauenbiografien, Bücher über Psychologie, Politik, Sexualität und auch Kochbücher umfasst.

Foto: Schloss und Garten Centre Pompadour © Viktoria Koestler

Foto: Bibliothek Centre Pompadour © Viktoria Koestler

 

“The Golden Egg Project” der Künstlerin Viktoria Koestler

Die Künstlerin Viktoria Koestler hat sich während ihrer dreiwöchigen Residenz mit dem Thema Feminismus und der weiblichen Fruchtbarkeit auseinandergesetzt. Ihr Kunstprojekt "The Golden Egg Project" ist durch die seit einigen Jahren immer wieder medial aufgegriffene Medizin-technologischen Weiterentwicklungen des "Social Freezing” sowie durch ihre eigene Auseinandersetzung mit der Thematik inspiriert, vor allem auch durch die grundsätzlichen Fragen: Mutter werden? - Wann, wie und/oder überhaupt? 

Visuell stellt die Künstlerin Viktoria Köstler die durch die Frau produzierten Eizellen als Punkte dar. Ihre "Dotpaintings" sind dabei eine künstlerische Repräsentation von Hoffnung auf ein Wunder, das mit dem Entstehen eines neuen Lebens einhergeht. Die Gestaltung der “Eizellen” ist dabei eine Form der Meditation, diese Punkte strukturiert und gleichförmig zu Papier zu bringen. Viktoria setzt dabei 24-Karat Gold sehr gezielt ein: Ein “vergoldeter Dot” symbolisiert das “Golden Egg”, was letztendlich zum Wunder des Lebens führt. Natürlicherweise handelt es sich meist nur um eines, manchmal zwei, äussert selten auch drei “Golden Eggs” - und leider oftmals auch keines.

Bilder, die aus Punkten bestehen, also “Dotpaintings” sind dabei absolut nichts Neues, denke man da an die Werke von Damien Hirst oder auch die japanische Künstlerin Yayoi Kusama, die mitunter für ihre sehr charakterisistchen “Polka Dots” bekannt ist.

 

Foto © Viktoria Koestler: Kunstwerk Viktoria Koestler “It’s a girl! #1” und Kunstwerke im Hintergrund © Michaela Spiegel 

Foto © Viktoria Koestler: Kunstwerk Viktoria Koestler “Having success while others have already given up #3”

 

Neue Frauenbilder wie "Girlboss" oder "Mompreneurs" überfordern moderne Frauen

Frauen stehen immer noch vor erheblichen Hindernissen, wenn es darum geht, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu erreichen und was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft. In den Medien und insbesondere durch Social Media soll uns aber immer wieder weiss gemacht werden "Alles ist möglich". Man kann eine bedeutende Karriere machen, daneben noch Kinder grossziehen, auf der ganzen Welt leben und arbeiten, und und und. Auf Social Media kamen in den letzten Jahren ganz viele "Fempreneurs, "Mompreneurs", oder Frauen die sich als "Girlsboss" beschreiben, sowie viele weitere neue Wortschöpfungen, auf, die zeigen, dass Muttersein UND Entrepreneur sein oder Frau sein UND Karriere machen in Männerdomänen doch "total möglich" sei. Das wesentliche Problem ist dabei das Vergleichen, das dadurch entsteht, was viele Frauen wiederum unter Druck setzt: "Die schafft es doch auch Karriere, Kinder und gutes Aussehen unter einen Hut zu bringen, warum ist es nur bei mir so schwer?" Realität ist, dass auf Social Media oft nur die Erfolge und die Schokoladenseiten des Lebens präsentiert werden, die Schwierigkeiten mit der fairen Aufgabenverteilung mit dem Kindsvater, der finanzielle Aufwand oder gar die weitere Entourage an Helfer wie Nannys oder Haushaltshilfen werden weniger dokumentiert.

Während des Residency-Aufenthalts traf Viktoria Köstler auf die promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach, die das Buch "Die Erschöpfung der Frauen" (Droemer, 2021) gschrieben hat. Ihre Veröffentlichung zeigt auf, dass Frauen - diejenigen, die sich als Frauen identifizieren - erschöpft sind durch die viele Möglichkeiten von heute, aber auch die gesellschaften Erwartungen, die an Frauen gestellt werden, enormen Druck ausüben. Viele Ansprüche werden an Frauen gestellt, welche diese an ihre Belastungsgrenzen bringen, da Frauen viel geben, aber von der Gesellschaft, dem Staat und oftmals auch von ihren Partnern nur wenig zurückbekommen.

 

"Social Freezing" als Errungenschaft für modernen Feminismus?

Aus feministischer Sicht kann das Einfrieren von Eizellen als eine Möglichkeit für Frauen gesehen werden, die ihnen mehr Kontrolle über ihr reproduktives Leben gibt. In der Vergangenheit hatten Frauen nur begrenzte Möglichkeiten der Familienplanung. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie jung heiraten und früh Kinder bekommen, was oft bedeutete, dass sie ihre Ausbildung oder ihre Karriereziele opferten. Durch die immer mehr in Mode gekommende Technologie wird Frauen die Hoffnung gemacht, sie können - je nach individueller Ausgangslage - etwas mehr Zeit gewinnen.

 

Gold und Feminismus in den Arbeiten von Viktoria Köstler

Viktoria Koestler integriert in ihren Ölmalereien oftmals 24-Karat Gold. Seit sie die modernen Techniken der Vergoldung sowie auch die sehr aufwändige Technik der Polimentvergoldung Im Jahr 2019 von einem Ikonenmaler in New York City erlernt hat, lässt sie diese Fazination nicht mehr los und sie kreiert immer wieder neue "lichtvolle" Werke. Gold nimmt das Licht auf und reflektiert es, keinerlei Pigment kann mit der Leuchtkraft und der Aura des wertvollen Materials mithalten. Die Ikonenmalerei ist eine traditionelle Kunstform - oftmals im religiösen Kontext verwendet - wobei insbesondere der Heiligenschein, meist in Gold, eine besondere Bedeutung hat. Dieser leuchtende Ring kann auch als leuchtender Kreis gesehen werden.

Symbolisch kann das Licht in Viktoria Koestler’s Arbeiten auch an den eigenen Wert eines jeden Menschens erinnern. Jeder Mensch kann als "Goldstück" betrachtet werden. Inwieweit das Licht strahlt, ist individuell verschieden. Insbesondere die Stimmen von Frauen wurden historisch betrachtet hindurch vieler patriarchalischer Epochen oftmals nicht gehört. Hierbei gibt es Nachholbedarf, eben auch in der patriarchalischen Kunstwelt. Je mehr Frauen ihre eigene Meninung und ihren künstlerischen Ausdruck nach aussen bringen, desto mehr bewegen wir uns in Richtung einer Welt, die mehr und mehr gleichberechtigt wird.

 

Mehr zu Gold und Feminismus findet man hier im Video. (© Video und Schnitt: Michaela Spiegel)