Blick in die Kunstkonservierung/-restaurierung: Das Typisieren/Identifizieren von Papier durch eine Papierrestauratorin

13.10.2023
Lea Kämpf

Spätestens seit dem IS- oder Ukraine-Krieg, im Rahmen hochrangiger Forschungs- oder Restaurierungsprojekten wie dem Rembrand-Werk «Die Nachtwache» (Rijksmuseum, Amsterdam) oder dem Vermeer-Werk «Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster» (Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden) wird den Konservator:innen und Restaurator:innen mehr Gehör und Augenmerk geboten. Wir möchten dem spannenden Beruf eines:r Konservators:in und Restaurators:in auch hier auf art24 mehr Aufmerksamkeit schenken. Es ist ein vielfältiger, hochinteressanter Beruf, der lebenswichtig für die Kunsterhaltung ist. Tatsächlich ist es ein Beruf, den es offiziell noch nicht allzu lange gibt. Der Begriff «Restaurierung» wurde erst in den 1830ern durch Eugène Viollet-le-Duc formuliert. Das Konservieren von Kunst- und Kulturgütern, vielmehr der Begriff der «Präventiven Konservierung», wurde ca. 140 Jahre später geprägt. Ausgeübt wurde das Konservieren von Gegenständen hingegen schon seit der Antike.

(CO-Autor Tijana Cvijetic)

Wer die Blogs von mir (Lea Kämpf) schon etwas verfolgt hat, wird mittlerweile mitbekommen haben, dass ich mich in einem ganz besonderen Kunstbereich bewege: der Kunstrestaurierung. Das Konservieren und Restaurieren bedient sich ganz verschiedenen Bereichen, nicht nur der manuellen Ausführung, sondern auch der untersuchenden Wissenschaft, wie der Kunstgeschichte, der Naturwissenschaft und der Kunsttechnologie. Das Ziel unseres Berufes besteht darin, dass wir das Kunstobjekt in seiner Geschichte verstehen wollen, sei es, um den Bildentstehungsprozess oder die Zustandsveränderungen nachvollziehen zu können, um darauf basierend Massnahmen zu konzipieren und auszuführen, die den Erhalt eines Objekts für die Zukunft fördern. 

So facettenreich die Kunstwelt ist, so vielfältig ist die Konservierung und Restaurierung. Wir unterscheiden dabei u.a. zwischen den Fachbereichen: Architektur, Gemälde, Papier, Möbel, Moderne Medien u.v.m. 

In diesem Blog wollen wir bewusst ein Augenmerk auf den Papierbereich legen und auf deren kunsttechnologische Untersuchung. 

Tijana Cvijetic, MA Graphik, Schriftgut und Photographie, ist eine Papierkonservatorin- und Restauratorin, die sich auf Grafiken und Zeichnungen spezialisiert hat. Im Rahmen ihrer Masterthesis setzte sie sich mit der Papiertypisierung und -identifizierung vor allem im Bereich der handgeschöpften Papiere auseinander. Ihre Methodik wendete sie auf Anfrage eines Privatsammlers an ausgewählten Werken an. Der folgende Bericht wurde von Tijana Cvijetic persönlich verfasst:

 

Im Rahmen eines Privatauftrages wurden ausgewählte Werke auf Papier auf ihre aussagekräftigsten und visuell erkennbaren Papierstrukturmerkmale untersucht. Der Beruf Konservator:in-Restaurator:in verbindet dabei theoretische Kenntnisse aus der Naturwissenschaft sowie Kunsttechnologie und -geschichte, wobei manuelles Geschick und Können ebenso ausschlaggebend sind. Eingebettet im Aufgabenbereich einer:s Papierkonservators:in und Restaurators:in liegt die Papierstrukturanalyse als Teil der kunsttechnologischen Untersuchung vor. 

Während der Papierherstellung werden Papierstrukturmerkmale bewusst oder unbewusst ins Papier eingebracht. Diese können durch verschiedene Lichtquellen sichtbar gemacht und anschliessend eruiert werden. Diese Untersuchungen ermöglichen eine Papieridentifizierung/-typisierung, welche Verdachte betreffend der Werkauthentizität bestätigen oder dementieren können und somit beweisen, ob das verwendete Papier aus der vermuteten Entstehungszeit entstammt oder nicht. 

Da gewisse Werke noch montiert vorlagen, mussten diese als erstes aus ihrer alten Montage gelöst werden, da Objekte im montierten Zustand nur erschwert oder gar nicht begutachtet werden können (Bild 2). 

 

Bild 1: Blick auf den Arbeitstisch von Tijana Cvijetic und ihren restauratorischen Hilfsmitteln. / Bild 2: Tijana Cvijetic beim Lösen des Papierobjekts von der alten Montage.

 

Für diese nicht-invasiven, kunsttechnologischen Untersuchungen am Papier wurden verschiedene Lichtquellen verwendet. Das Objekt wird dabei unter Auf-, Durch-, Streif- und UV-Licht untersucht. 

Das Auflicht gibt einen allgemeinen Eindruck über die Beschaffenheit des Papiers, lässt dessen Farbe erkennen und hilft, Deformationen, Risse, Falten und Flecken besser zu visualisieren und zu dokumentieren. 

Das Durchlicht, welches durch ein Leuchtpult oder eine Leuchtfolie generiert wird, wird für die Untersuchung der Siebstruktur, der Faserverteilung, der Wasserzeichen und der Einschlüsse sowie der Arbeitsspuren benötigt (siehe Bilder 3 und 4). Ein Einblick in das Innenleben eines Papiers wird so ermöglicht. 

 

Bild 3: Im Durchlicht lassen sich die Wasserzeichen visualisieren. / Bild 4: Neben dem Wasserzeichen lässt sich mit Hilfe des Durchlichts die Siebstruktur des Papieres erkennen. Die Siebstruktur entsteht bei der Papierproduktion.

 

Beim Streiflicht handelt es sich um starkes, schräg einfallendes Licht, welches die Oberflächenmerkmale eines Papieres hervorhebt. Ähnlich wie das Durchlicht, können anhand des Streiflichts das Wasserzeichen, die Siebstruktur, Einschlüsse, Manipulationen am Papier (bspw. alte Restaurierungen), Arbeitsspuren und Papierdeformationen visualisiert werden. 

Die UV-Fluoreszenz wird mittels einer UV-Handlampe generiert und macht unter anderem Foxing (oder auch Stockflecken genannt), Metalleinschlüsse, potenziell vorliegende optische Aufheller (Weissmacher), Ergänzungen/Retuschen, Wasserschäden sowie Oberflächenbehandlungen im Papier sichtbar. 

Für die Betrachtung der Papierstrukturmerkmale wird zusätzlich zu den verschiedenen Lichtquellen zur Vergrösserung ein Fadenzähler oder ein Handmikroskop beigezogen (Bild 6). 

 

Bild 5: Tijana Cvijetic hält das im Durchlicht bestrahlte Werk fotografisch fest. Die gewonnenen Informationen werden stets bildlich und schriftlich dokumentiert. / Bild 6: Durch die Betrachtung des Papieres mit Hilfe eines Fadenzählers (Messlupe) können weitere Papiermerkmale festgestellt werden. 

 

Fazit: 

Die Papiertypisierung/-identifizierung liefert somit erste Anhaltspunkte, ob weiterführende Analysen betreffend der Authentifizierungs- und Echtheitsfragen zu einem Werk sinnvoll sind. So können beispielsweise verschiedene, vorzugsweise zerstörungsfreie, aber auch zerstörende (Probeentnahme), naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden beigezogen werden. Ein zerstörungsfreies Verfahren wäre die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF), welche Aussagen über die verwendeten Zeichenmaterialien eines Werkes zulässt. 

Solche Analysemethoden können nicht alle durch eine einzelne Fachperson gewährleistet werden, da es sich bei der Datierung von Kunst auf Papier und der Fälschungserkennung um einen stark interdisziplinären Fachbereich handelt. Um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, ist die Zusammenarbeit verschiedener verwandter Fachbereiche essenziell.  

 

Sind Sie Restaurator:in und möchten gerne Einblicke in Ihr Tätigkeitsfeld teilen? Haben Sie Fragen zur Restaurierung oder an Frau Cvijetic? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an hello@art24.world.