Erhaltung gefährdeter Kulturgüter und der Schutz des kulturellen Erbes

15.04.2022
Lea Kämpf

Wenn sieben Welterbestätten und tausende Museen plötzlich vom Krieg bedroht sind

Was ist ein Museum ohne seine Kunst? Eine Galerie ohne seine Künstler:innen? Das UNESCO-Welterbe der Ukraine ohne seine Stätte, Denkmäler und Kulturgüter?  

 

Jeder Krieg bedeutet ein Angriff auf das kulturelle Erbe des Landes und ein Raub der Identität und der Geschichte.  

 

Im Rahmen des Ukraine-Russland-Krieges werden momentan in ukrainischen Museen und Kirchen die Kunstwerke von den Wänden und aus den Vitrinen entnommen, um sie schnellstmöglich in Kartons und Kisten zu verpacken, in dunklen Kellern zu deponieren und sie vor den kriegerischen Gewalten zu schützen. Aussenskulpturen und Figuren, Denkmäler und Statuen werden mit Sandsäcken ummantelt, in Schaumstoff gehüllt oder mit Holzbrettern bedeckt, um sie vor Bombensplitter zu schützen. Es werden-blau-weisse Schilder angebracht, die Denkmäler und geschützte Kulturgüter kennzeichnen sollen. Einige Kunstwerke werden ins Ausland transportiert. So werden Werke aus Kiew nach Österreich transportiert, die bei der kommenden Biennale in Venedig ausgestellt werden sollen. Andere kommen aus Charkiw, Kiew oder Odessa nach Lwiw, um sie dann weiter in westliche Länder, wie Polen oder Deutschland zu bringen (siehe: Wie die Ukraine versucht, Kunstwerke zu retten | Kunst | DW | 17.03.2022; Welterbe Ukraine: ″Museen faktisch im Kriegsgebiet″ | Kultur | DW | 09.03.2022). Museen, wie das Iwankiw-Museum für Geschichte und Heimatgeschichte, oder Gedenkstätten, wie das Babyn Yar Holocaust-Denkmal in Kiew, sollen bereits zu grossen Teilen zerstört sein (siehe: How Ukraine is moving to protect its cultural heritage - updated 22 March 2022 | International Institute for Conservation of Historic and Artistic Works (iiconservation.org)).

 

Museumsfachleute, Kunstkonservator:innen und Restaurator:innen sind in Zeiten kriegerischer Zerstörung mehr als je zuvor gefordert und versuchen unermüdlich, unter Einsatz ihres eigenen Lebens, das kulturelle Erbe am Leben zu erhalten.

Die besonders tragende Rolle der Restaurator:innen wurde bereits vor zwei Jahren nach der schweren Explosion im August 2020 in Beirut deutlich, erhalten sie doch durch ihre Spezialisierung und Expertise Kulturgüter. Während die tragische Explosion zahlreiche Todesopfer zählte, zerstörte sie am Rande Museen, Galerien und private Kunstsammlungen. In Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft sowie der Rachel Barker Associates in Grossbritannien organisierte BeMA (Beirut Museum of Art) Workshops zu spezifischen Restaurierungstechniken und der Erfassung von Notfallprotokollen. Über 1’500 Gemälde wurden in einem folgenden Restaurierungsprojektes von nationalen und internationalen Fachkräften in kurzer Zeit gereinigt und restauriert (siehe: BeMA: on a mission to restore the modern and contemporary art collection of the Lebanese Ministry of Culture | International Institute for Conservation of Historic and Artistic Works (iiconservation.org)).

 

Die bedeutende Funktion dieser Fachgruppe wird auch durch den Mut, den alle Einsatzkräfte während dieser Zeit aufzeigen müssen, deutlich. Während andere dem Krieg entfliehen, stellen sich jene der zerstörerischen Kraft entgegen und versuchen, das kulturelle Erbe vor Ort zu schützen. Benötigt werden Ressourcen und Materialien, wie Verpackungs- und Konservierungsgut, die Organisationen in den Niederlanden, Italien und Frankreich bereitstellen.

Die Frage nach der Erhaltung gefährdeter Kunst- und Kulturgüter scheint in der heutigen Zeit näher denn je. Tatsächlich beschäftigte man sich mit dem Schutz des Kulturgutes schon Ende des 19. Jahrhunderts. Schaut man auf die Geschichte des Kulturgutschutzes zurück, sind bereits mehr als 120 Jahre vergangen, seit das erste monumentale internationale Abkommen in Den Haag am 29. Juli 1899 abgeschlossen wurde. 1935 folgten mit dem sogenannten «Roerich-Pakt» weitere Richtlinien, die den Schutz von künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen sowie Denkmälern betrafen. Dann am 21. April 1954 fand die wichtigste Haager Konvention statt: Der Schutz des Kulturerbes bei bewaffneten Konflikten wurde per Abkommen festgelegt. Neuere Richtlinien, die sich explizit auf den Schutz des Kulturerbes beziehen, wurden am 24. März 2017 in der UN-Resolution 2347 verabschiedet.

Umso wichtiger erscheint es, die Kunst gut zu dokumentieren und digitalisieren. Es gibt verschiedene Vereinigungen, die sich bereits mit Erhaltungsmassnahmen von gefährdeten Kunst- und Kulturgütern beschäftigen sowie neu gegründete Netzwerke, die sich explizit für das kulturelle Erbe der Ukraine einsetzen. UNESCO beispielsweise verstärkt die Schutzmassnahmen für gefährdetes Kulturerbe und steht in Kontakt mit den ukrainischen Behörden, um Kulturstätten zu identifizieren und diese als solche zum Schutz vor dem Krieg mit den bereits erwähnten, blauen Schildern zu kennzeichnen. Die SUCHO, eine neue, internationale Gruppe von Aktivist:innen, die aus Forscher:innen, Programmierer:innen, Archivar:innen, Bibliothekar:innen und weiteren Personen, setzt sich intensiv mit der Identifizierung und Archivierung von digitalen Inhalten und Daten von ukrainischen Kultureinrichtungen auseinander. Weitere Organisationen, welche die ukrainischen Museen in der Erhaltung des gefährdeten Kulturerbes unterstützen und die hier erwähnt werden sollten, sind im Folgenden aufgelistet:

 

ICCROM (International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property)  

ICOM (International Council of Museums) 

UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) 

Blue Shield International

SUCHO (Saving Ukrainian Cultural Heritage Online) 

CHIEF ONLUS Cultural Heritage International Emergency Force 

SCRI (The Smithsonian Cultural Rescue Initiative) 

NEMO (Network of European Museum Organisation) 

HERI (The Heritage Rescue Emergency Initiative) The Heritage Emergency Response Initiative 

ICRC (International Committee of the Red Cross) 

ALIPH (International alliance for the protection of heritage in conflict areas) 

 

Kunst begleitet und schmückt die Welt. Sie sollte gesehen werden und die leeren Museen und Galerien füllen. Jene aufgezählten Organisationen tragen zur Erhaltung der Kunst bei und brauchen nun stärker Gehör.  

Bild: CC BY-SA 4.0