Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen Teil 3: Weiter nach München in die Schweiz

03.10.2022
Lea Kämpf

Die dreiteilige Blogreihe thematisiert die Beeinflussung von Künstler:innen untereinander. Der Fokus liegt dabei vermehrt auf Kunstschaffenden, die auf art24 zu entdecken sind. Sie erkundet die direkte und indirekte Einflussnahme anhand beispielhafter Künstler:innenfreundschaften, Künstler:innengemeinschaften oder Künstler:innen-Inspirationen. Im ersten und zweiten Teil führte die Reise, ausgehend von Spanien über die USA weiter nach Frankreich und Deutschland. Im dritten und letzten Teil des Blogs endet die Reise in der Schweiz.  

Wer an den Anfang der Reise zurückkehren möchte, gelangt hier zum ersten Teil, welcher mit der indirekten Einflussnahme von spanischen Künstler:innen beginnt und bei der direkten Beeinflussung zweier New Yorker Künstler endet. Der zweite Teil verfolgt letztere Thematik weiter und stellt zwei Künstlerpaare vor, die sich gegenseitig in Paris sowie Berlin malerisch und künstlerisch beeinflussten. 

Im finalen Teil der Blogreihe startet das vorletzte Reiseziel in München.  

 

Elisabeth Epstein und Robert Delaunay  

 

Die beiden Umzüge der Malerin Elisabeth Iwanowna Epstein (1879-1956) im Jahr 1896 nach München und 1906 nach Paris stellten prägende Momente im Leben der Künstlerin dar. In München traf sie auf Anton Ažbe, Wassily Kandinsky (1866-1944) und Alexej von Jawlensky (1864-1941), in Paris, in der Künstlersiedlung in Montparnasse, auf die Malerin Sonia Delaunay-Terk (1885-1979), mit der sie einige Zeit zusammenwohnte.  

Besonders zu Kandinsky und dem Ehepaar (Sonia und Robert) Delaunay entwickelte sie eine tiefe Freundschaft. Freundschaften, die sich stark auf den künstlerischen Werdegang von Epstein auswirkten.  

Als Epstein 1911 an der ersten Blaue Reiter-Ausstellung in München teilnahm, fungierte sie als entscheidendes Bindeglied zwischen dem Ehemann ihrer Künstlerfreundin, Robert Delaunay und den Gründungsmitgliedern der Künstlervereinigung Blaue Reiter, Kandinsky und Franz Marc (1880-1916), die ihn auf Epsteins Vermittlung hin, in die Ausstellung aufnahmen. Robert Delaunay verkaufte an dem Tag erfolgreich drei seiner Werke, mehr als alle anderen der dort vertretenen Künstler:innen.  

Auch umgekehrt beeinflusste das Ehepaar Delaunay die künstlerische Entwicklung Epsteins bedeutsam mit. Insbesondere die späteren Werke der Künstlerin sind vom malerischen orphistischen Stil ihrer Künstlerfreunde geprägt. Alle drei gingen von einer anfänglichen farbintensiven Malweise zu einer späteren kubistischen, abstrakten und orphischen Kunstrichtung über. Epsteins Spätwerke thematisierten hauptsächlich Stillleben wie das Gemälde «Stillleben mit Pflanze» (1949) eindrücklich beweist.  

 

Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl  

 

Auch den Schweizer Künstler Jean Tinguely (1925-1991) zieht es 1952 nach Paris und drei Jahre später in eben jene Künstlersiedlung «Impasse Ronsin» im Quartier Montparnasse wie bereits Epstein 1906. In dem Pariser Künstler:innenquartier, welches von 1886 bis 1971 bestand, lebten und arbeiteten u.a. auch Max Ernst (1891-1976), Eva Aeppli (1925-2015), Niki de Saint Phalle (1930-2002) oder Constantin Brâncusi (1876-1957). Hier wurden die Ateliers mit Kunst und Leben gefüllt.  

 

«Ich habe immer versucht mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten, schon nur um über mich selber hinwegzukommen. Weil manchmal ist man wie eingeklemmt in sich selber, ich bin praktisch zu mein eigenes Ich, wie verurteilt, fühle ich mich, ich kann gar nichts anderes machen, als das was ich tue.»  

(Zitat Jean Tinguely, Quelle: Museum Tinguely Basel) 

 

Im Jahr 1955 lernte Jean Tinguely den französischen Künstler Yves Klein (1928-1962) kennen, mit dem er noch im gleichen Jahr an einem gemeinschaftlichen Kunstprojekt arbeitete und dieses auch ausstellte. Ähnlich wie Warhol und Basquiat ging jeder seiner Expertise nach. Tinguely war für die mechanische Vorrichtung zuständig, Klein bemalte diese.  

Eine intensivere Zusammenarbeit und Freundschaft verband Tinguely hingegen mit Bernard Luginbühl (1929-2011), den er 1957 kennenlernte. Sie stellten gemeinsam u.a. in Bern, Luzern, Eindhoven oder Frankfurt aus und arbeiteten an gemeinsamen Kunstprojekten wie «Crocrodome» (1977) oder «Le Cyclop» (1970-1988). Luginbühl filmte Tinguely in seiner Arbeit, Tinguely verfasste Briefe an seinen Freund.  Die sogenannten «Bildbriefe» oder auch «Bildcollagen» fertigte Tinguely für viele seiner Freunde, Arbeitskollegen und seine Familie an. Er kombinierte dabei Text mit Bild und sendete das Werk als Brief an seine Bekanntschaften. Hunderte von illustrierten Nachrichten, die er in seinem Atelier, im Restaurant, in Unterkünften und von unterwegs anfertigte, entstanden vor Ort und aus dem Moment heraus. Einer dieser Bildbriefe, adressiert an Kurator Fritz Billeter, kann auf art24 bewundert werden.  

 

Quellennachweis und Links für weitere Informationen:

 

Die erste Reise und das Erkunden von vergangenen Künstler:innenbeziehungen geht (vorerst) im dritten Blog-Teil zu Ende. Doch die Kunstwelt lebt und wächst weiter. Sie wird sich weiter inspirieren lassen von der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.  

Nachfolgend gibt der Blogbeitrag «Sehnsuchtsorte - Die Geschichte von Künstlerkolonien» von Martina Kral Einblicke in die Bildung von Künstlergemeinschaften bzw. Künstlerkolonien.  

 

Glossar 

Orphismus: Der Orphismus entwickelte sich als Kunststil aus dem Kubismus im frühen 20. Jahrhunderts heraus. Er folgt einer abstrakten gegenstandslosen bunter bzw. farbintensiver Gestaltung.