Auf den Spuren von #PRAG - Die Rolle der "Goldenen Stadt" Prag in der Kunstgeschichte und Kultur
Prag und seine kulturelle Anziehungskraft
Einst Kaisersitz, dann eine der ältesten Universitätsstädte Europas (Gründung 1348), im 14. Jahrhundert Kulturzentrum der “Böhmischen Malerschule”, im 16. Jahrhundert wichtiges Zentrum für Kunst-Förderung und -Sammlung mit der einzigartigen “Kunstkammer Kaiser Rudolfs II.” als einmaliges Zeugnis herrschaftlichen Mäzenatentums, und immer wieder Anziehungspunkt kultureller Grössen (u.a. J. W. von Goethe, Heinrich von Kleist, Clemens von Brentano, Beethoven) avancierte Prag zu einer der bedeutenden Kunst- und Kultur-Städte.
Im Lauf vieler Jahrhunderte festigte sich Prags kulturelle Bedeutung mit wichtigen und herausragenden Sammlungen, Museen und Galerien sukzessive: mit der Nationalgalerie Prag seit 1796 (Sammlung alter Meister, Sammlung moderner Kunst, Kunstsammlung nach 1945, Sammlung von Drucken und Zeichnungen, Sammlung asiatischer Kunst), die nach dem Louvre in Paris die zweitälteste europäische Galerie ist; mit der Galerie der Hauptstadt Prag (1881), dem Museum Kampa (2003) oder dem Zentrum zeitgenössischer Kunst (DOX, 2008). Bis zum heutigen Künstlerviertel Art District 7 (Holešovice, Bubeneč und Letná) mit seinen unzähligen Galerien, Theatern, Cafés und bedeutenden kulturellen Institutionen. Parallel dazu entstanden Ausbildungsstätten, die nach wie vor Studierende auch aus dem Ausland anlocken, wie die bereits 1799 gegründete Akademie der Bildenden Künste, die 1926 zur Kunsthochschule avancierte oder die 1885 gegründete Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag (UMPRUM).
Die Achse Prag Paris: Der Einfluss europäischer Metropolen auf die tschechische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
Es waren die grossen europäischen Akademien von München, Düsseldorf, Dresden oder Paris, die junge Kunstschaffende im 19. Jahrhundert anlockten. Demgegenüber setzten sich junge böhmisch-tschechische Kunstschaffende für eine Kunst ein, die sich mit Heimat, Identität und anderen slawischen Ländern auseinanderzusetzen hatte. Die Gründung der “Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde” im Jahr 1796 sollte eine böhmische Kunst und damit die nationale Identität stärken. Doch die zunehmende Ausstrahlung des kosmopolitischen Flairs von Paris (siehe art24-Blog-Paris) und seiner Kunst in Galerien und Sammlungen war ab Mitte des 19. Jahrhunderts für viele tschechische, nach Paris reisende Kunstschaffende und Vertreter:innen der Avantgarde ungebrochenes Vorbild, durch die sie sich Inspiration, Teilnahme an Ausstellungen (dies gelang etwa Václav Sochor, 1855-1935) und Anerkennung seitens der Kunstkritik erhofften. Der Zustrom nach Paris riss auf dieser Achse Prag-Paris nicht ab, obschon nur wenigen tschechischen Kunstschaffenden mit individuellen Statements der grosse Durchbruch gelang: darunter etwa der in beiden Städten hoch verehrte Historienmaler Václav Brožík (1851-1901) oder Alfons Mucha (1860-1939), einer der populärsten Plakat-Künstler des Jugendstils, der mit der revolutionären “Gismonda” gar den Durchbruch in Paris schaffte:
Auch František Kupka (1871-1957) gilt als Pionier abstrakter Kunst und wichtiger Vertreter des Kubismus` sowie Toyen (1902-1980), die mit bürgerlichem Namen Marie Čermínová hiess, die surrealistische Kunstszene in Paris, aber genau so auch Prag mit eindrücklichen Werken prägte. Dass es ab 1910 in Prag, das mittlerweile eine europäische Grossstadt war, bereits eine bedeutende Sammlung kubistischer Werke (u.a. von Picasso sowie tschechischen Kunstschaffenden) gab, die Kunsthistoriker Vincenc Kramář als einer der ersten Sammler kubistischer Werke von Picasso zusammengetragen hatte und 1912 die “Gruppe der bildenden Künstler” eine avantgardistische Ausstellung in Prag organisierte, sei nur am Rande erwähnt. Die Malerin und Grafikerin Toyen sei exemplarisch für die starke kulturelle Achse Prag – Paris genannt: als Netzwerkerin mit engen Kontakten zu französischen Künstlerkolleg:innen (sie lebte 1925 bis 1929 in Paris, ab 1947 dann dort endgültig aufgrund der Machtergreifung der kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei) prägte sie in der Zwischenkriegszeit die tschechoslowakische Kunstszene bei der Entwicklung von Kubismus, Poetismus, Surrealismus und Artifizialismus (Malerei und Poesie sind als Einheit zu betrachten) stark mit. So war sie die einzige weibliche Mitbegründerin der Surrealistischen Gruppe in Prag 1934 – eine starke Gruppierung, die bis Ende der 1960er Jahre als Bewegung vital war.
Prag als Exilheimat: Künstlerisches Schaffen und kultureller Austausch im Schatten des Nationalsozialismus
«Ich war gerne in Prag. Wie schon einmal nach den dreißigjährigen verheerenden Religionskriegen war Prag abermals ein kosmopolitisches Zentrum geworden, in dem sich zum letzten Mal Europa traf.», schrieb der Maler Oskar Kokoschka über seine Prager Exilzeit 1934 bis 1938 in seiner Autobiographie Mein Leben. War eine Existenz für sogenannte verfemte Kunstschaffende in Deutschland nicht mehr möglich, konnten sie zwischen 1933 und 1939 in der als Exilheimat fungierenden tschechoslowakischen Hauptstadt weiterarbeiten – zumal sie als Ausländer:innen keinem Berufsverbot unterlagen und ein seit Jahrhunderten nebeneinander existierendes tschechisches, jüdisches und deutsches Kulturmilieu vorfanden. Kokoschka, dessen Grossvater Václav Kokosska aus Prag kam, schuf hier während seines Exils mit guten Kontakten zur hiesigen Kunst- und Kulturszene und als Gründer einer Gruppe von Grafikern sowie des Oskar-Kokoschka-Bunds an die 30 Ölgemälde – unter anderem mit 16 Ansichten von Prag.
Bild 4: Oskar Kokoschka: Karlův most v Praze (Karlsbrücke in Prag), 1934, Öl auf Leinwand, Národny Galerie Praha, Inv. Nr. O 4459.
Die zunehmend bedrohliche Situation, die vom nationalsozialistischen Deutschland ausging und zur gewaltsamen Besetzung der Tschechoslowakei 1938 führte, liess viele tschechische Kunstschaffende Ende der 1930er Jahre nach Paris emigrieren. Darunter viele, etwa Fedor Löwenstein, František Matoušek, Josef Šíma, Vítězslava Kaprálová oder Bohuslav Martinů, die sich bis anhin nicht für Politik interessierten und nun im Kunstschaffen ein Mittel sahen, um aktiv durch propagandistische Aktionen auf die katastrophale Lage ihres Heimatlandes aufmerksam zu machen.
1948 kamen die Kommunisten an die Macht: der Westen und damit auch Paris schienen hinter dem “Eisernen Vorhang”, der die tschechischen Kunstschaffenden isolierte und ihre Freiheit einschränkte, unerreichbar. Die Veränderung kam erst Jahrzehnte später: Mit der Öffnung der Grenzen 1989, ausgelöst durch die “Samtene Revolution”, kam es zur Errichtung der Demokratie und Gründung des unabhängigen Staates Tschechische Republik – Toyen jedoch (vom französischen citoyen = Bürger abgeleitet), die jegliche Form von Totalitarismus als Bedrohung künstlerischer Freiheiten ablehnte, erlebte all` dies nicht mehr: sie starb als eine der bedeutendsten tschechischen Avantgardist:innen 1980 in Paris.
Prags malerische Schönheit: Künstlerische Interpretationen der 'Goldenen Stadt'
Die charmante, romantische Stadt der Kunstschaffenden, Schriftsteller:innen und Musiker:innen birgt traumhafte Plätze, Panoramen, Ausblicke, Winkel und Gassen, die Prags «goldene Seiten» in unzähligen Werken unsterblich werden liessen.
Einen geradezu touristischen Paradeblick präsentiert Jaroslav Grus: sein Panorama führt die Blicke über die Moldau hinweg zum Burgberg Hradschin, der sich vor dem türkisblauen Himmel markant abhebt und am rechten Bildrand von aneinandergereihten Gebäuden mit dem hochaufragenden Nationaltheater eingerahmt wird. Grus (1891-1983) widmete sich schon früh der Landschaftsmalerei und wurde an der Akademie der Bildenden Künste in Prag ausgebildet. Mehrfach ausgezeichnet und als aktives Mitglied zahlreicher Künstlergruppen prägte Grus eingehend die tschechische Kunstszene nach 1945 und gilt heute als wichtiger Vertreter der modernen Landschaftsmalerei des 20. Jahrhunderts.
Ausgebildet an der Akademie der Bildenden Künste in Prag erhielt František Emler (1912-1992) nach seinem Abschluss 1938 ein einjähriges Italien-Stipendium. Mehrfache Auszeichnungen, internationale Ausstellungen und ein weiteres Studium an der École nationale supérieure des Beaux-Arts in Paris liessen ihn zu einem anerkannten und erfolgreichen Künstler werden, dessen Werke heutzutage u.a. in der Nationalgalerie und Prager Stadtgalerie zu finden sind. Emler fokussiert eine locker ausgeführte, zauberhafte Winter-Szenerie der Prager Altstadt mit Spaziergängern unterhalb des Hradschin, der mit seiner markanten Veitsdom-Silhouette in den milchig hellen Winterhimmel hineinragt.
Eine aussergewöhnliche Karriere durchlief die 1928 geborene Künstlerin Dana Hlobilová, aufgewachsen in einer Künstler- und Industriellenfamilie: Nach dem Studium (1946-1951) an der VŠUP (Hochschule für Kunst, Architektur und Design) in Praze beginnt Dana Hlobilová ab 1948 ein Studium im Atelier für Textildesign. 1958 entsteht der weltberühmte Brüsseler Brunnen (in der Form eines Baumes mit mundgeblasenen Glasschalen, ursprünglich angefertigt in der Glashütte Kavalier) nach den Entwürfen von Dana Hlobilová für die Expo in Brüssel, wofür sie mit einem Ehrendiplom ausgezeichnet wird. Anfänglich eher als Grafikerin und Designerin tätig, ist sie vor allem nun Zeichnerin und Malerin von geheimnisvoll-poetischen Gärten, Landschaften und zauberhaften Stadtansichten, die in einer üppig gehaltenen Farbpalette ausgeführt sind. Durch Studienreisen nach Ägypten, Syrien, Libanon, durch die ehemalige DDR, UdSSR und Jugoslawien sowie Polen, Belgien, Frankreich und Italien findet sie immer wieder ihre Themen und Motive. Noch im hohen Alter von fast 80 Jahren stellt Dana Hlobilová ihre Werke aus, etwa 2007 in der Galerie des Schlosses Nebílov, Tschechien. Die Prager Burg im historischen Stadtteil Hradschin wird in diesem Werk in eine Märchenkulisse verzaubert. Mit feinen Einritzungen in die Farbe hinein schmückt Dana die steinernen Fassaden und verleiht dem mächtigen Bau seinen Umriss. Am dunklen lila- und blautönigen Nachthimmel steht der hell erleuchtende runde Mond, der die malerische Szene in eine mystische Kulisse hüllt und Prag als wundervoller Stadt huldigt.
In einer abstrahierten, stilisierten Form präsentiert Ivan (Ivo) Sedliský (1926-1996 oder 1999) eine Ansicht von Prag einschliesslich seiner geschichtlichen Entwicklung zur bedeutenden Metropole und Grossmacht – symbolisiert durch Wappen, böhmische Flaggen, dem böhmischen König mit Krone, Zepter und Reichsapfel, in der Errichtung wichtiger Bauten wie Karls-Universität, Karlsbrücke (unterer Bildrand), Stadtmauer, Prager Burg mit dem Veitsdom auf dem Hradschin (oben Mitte) sowie weiterer Kirchen und königlicher Gebäude. Der an der Akademie der Bildenden Künste in Prag ausgebildete und später dort als Assistent arbeitende Künstler stellte in verschiedenen europäischen Ländern aus – erfolgreich durch seinen persönlichen Malstil in Kombination mit spezifischen Farbkombinationen.
Der in Prag geborene und dort verstorbene Petr Melan (1947-2009) war ein virtuoser Künstler, der Herausragendes für den Buchdruck geschaffen hat. Dazu arbeitete er mit den Techniken Radierung, Aquatinta und Mezzotinto, in denen er einzigartige, genaue Sujets auch von Prag entstehen liess. Verspielt, zugleich ein wenig melancholisch und surrealistisch präsentiert er ein kleines Stück Prag im Stadtteil Prager Kleinseite nach einem heftigen Regenguss.
Prag – Eine Stadt voller kultureller Vielfalt und künstlerischer Inspiration
Die Geschichte Prags ist somit reich an kulturellen und künstlerischen Errungenschaften. Von seiner Rolle als Kaisersitz und Zentrum der Böhmischen Malerschule bis hin zu seiner Bedeutung als Exilheimat für verfemte Künstler:innen. Prags historische Stät