Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen Teil 1: Von Spanien nach New York

19.09.2022
Lea Kämpf

Anlässlich der aktuellen Ausstellung «Picasso – El Greco» (11.6.-25.09.22) im Kunstmuseum Basel, welche die lebenslange inhaltliche Auseinandersetzung Pablo Picassos (1881–1973) mit den Werken von Doménikos Theotokópoulos (El Greco) (1541-1614) aufzeigt, thematisiert diese dreiteilige Blog-Serie die Beeinflussung von Künstler:innen untereinander. Der Fokus liegt dabei vermehrt auf Kunstschaffenden, die auf art24 zu entdecken sind. Sie erkundet die direkte und indirekte Einflussnahme anhand beispielhafter Künstler:innenfreundschaften, Künstler:innengemeinschaften oder Künstler:innen-Inspirationen. 

Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen  indirekt durch (unpersönliche) Inspiration oder direkt durch (persönliche) Zusammenarbeit. Ein indirekter Einfluss entsteht schon allein durch das Betrachten eines Gemäldes, des Motivs, der Malweise, der Farben, des Kunststils, der Komposition usw. Es vollzieht sich dabei eine direkte Auseinandersetzung mit dem Erlebten, die wiederum indirekt zu einer Beeinflussung des Betrachters bzw. des Künstlers / der Künstlerin führt. Fremde, von dem/der Künstler:in allein durchs Anschauen vermittelte und nun angewandte künstlerische Elemente fliessen in die eigene Malerei ein und werden zu eigenen Mitteln.  

Beispiele aus der Kunstwelt hierzu gibt es unzählige. Im Rahmen der Plattform art24 möchten wir herausfinden, inwieweit sich ein solcher Einfluss in den Kunstwerken auf art24 widerspiegelt. 

Beginnen wir also mit dem ersten Teil der Blogreihe, der den Fokus auf die indirekte Beeinflussung setzt. 

 

Pablo Picasso und Eugen Meier  

 

Erster Reisestopp Spanien: Während sich Picasso von den Werken alter Meister wie El Greco inspirierte, sind es die Künstler:innen der heutigen Generation, die sich von den Werken des spanischen Künstlers beeinflussen lassen. 

Die kubistisch-inspirierten Köpfen aus der Werkreihe «head» (Bild 1) des Schweizer Malers Eugen Meier zeigen die stilistische Annäherung mit Picassos berühmter Technik, mehrere Gesichtsansichten in einem Gesicht zu kombinieren. Eine vergangene Ausstellung Meiers im Jahr 2004 trug den Titel «Picasso pour les Pauvres» (dt. Picasso für Arme). Sie belegt, dass sich Meier bewusst den kubistischen Elementen Picassos bediente. Geschickt setzt er dabei allerdings seine eigenen Versionen um. Eine Auswahl der Köpfe à la Picasso ist im folgenden Bild ersichtlich. Ein Beispiel der «head»-Reihe lässt sich auch auf art24 finden.  

Werkauswahl der schwarz-weissen Köpfe à la Picasso von Eugen Meier (Werkreihe «head») 

 

Neben Picasso lassen sich auch andere Künstler:innen finden, dessen Kunstwerke womöglich einen Einfluss auf die Kunst anderer nahmen.  

So scheint die Radierung des Schweizer Künstlers Rudolf Häsler (1927-1999) «Pájaro en jaula» (dt. Vogel im Käfig) den konstruktiven architektonischen Charakter ausgewählter Zeichnungen Paul Klees (1879-1940) aufzugreifen. Als Vergleichsbeispiel dient die Zeichenstudie aus dem Art Institute Chicago, angefertigt um 1914 von Paul Klee, welche rückseitig noch die Aquarellmalerei «Untitled» (dt. Ohne Titel) enthält. Beide Zeichnungen zeigen architektonisch-wirkende Bauten, zusammengesetzt aus Linien und Rechtecken. Zwischen den geometrischen Formen sind figurative Elemente wie Tiere oder Alltagsgegenständen zu finden. Die meisten Formen sind mit einer Linie miteinander verbunden und gestalten so einen irrationalen Raum. Während Klee den Konstruktivismus in den 1920er Jahren aufgriff, verbildlichte Häsler eine ähnliche Form ca. 40 Jahre später.  

Rudolf Häsler, «Pájaro en jaula» (dt. Vogel im Käfig) 

 

Paul Klee, Zeichenstudie (recto) © 2018 Artists Rights Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn 

 

Shane Bowden und Hans Binz 

 

Neben Picasso und Klee kann auf art24 auch der Einfluss von einem der grössten Pop-Art-Vertreters schlechthin entdeckt werden. Die Pop-Art-stilistischen Werke des australischen Künstlers Shane Bowden (*1974) oder die Siebdrucke von Rock-Star-Legenden der 1960/70er Jahre von Hans Binz (1949-2001) erinnern an die berühmten fotografischen Siebdrucke von Andy Warhol (1928-1987).  

Anfang der 60er Jahren schuf der Amerikaner Pop-Art-Portraits von Marilyn Monroe, Elvis Presley, Elizabeth Taylor, Mick Jagger & Co. und kombinierte dabei kulturelle, ikonische und kommerzielle Objekte, Marken oder Personen des amerikanischen Mainstreams mit Kunst.  

Bowden greift dieses künstlerische Erbe in seiner Kunst auf, indem er Pop- und Modeikonen sowie Markennamen in seine farbigen Werke integriert.  

 

Werkauswahl Shane Bowden  

 

Binzs Vorliebe für Rock- und Bluesmusiker der 60er/70er Jahre wie Jimi Hendrix, John Mayall oder Led Zeppelin spiegelt sich in seinen Druckgrafiken wider. Aber auch Portraits von Revolutionären wie Che Guevara oder Karl Marx werden von Binz unterschiedlich farbig, wie beispielsweise Warhols Motivreihe von Marilyn Monroe, interpretiert.   

Werkauswahl Hans Binz 

 

Neben der Faszination an «vergangener» Kunst, die zu einer Neuinterpretation oder individuellen Aneignung in der eigenen Malerei führt, nimmt auch die Kunst zeitgenössischer Künstlerkollegen:innen Einfluss auf die eigene Kunst. Dieser direkte Einfluss kann durch gemeinsame Arbeitsprojekte, durch persönlichen Kontaktaustausch, durch gemeinsame Mitgliedschaft in Künstler:innenvereinigungen oder durch das Zusammenleben und Arbeiten in Künstler:innen-WGs oder Künstler:innenateliers entstehen. Er gestaltet die Malerei eines:r Künstlers:in entscheidend mit, indem er meist Einfluss auf die malerische Entwicklung nimmt. 

 

Die Reise geht weiter: In der Fortsetzung «Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen Teil 2: Von Paris nach Berlin» erfährst Du, wie sich Kunstschaffende in Europa bereits im Jahrhundert zuvor gegenseitig beeinflussten. Die Teile 2 und 3 thematisieren die direkte Einflussnahme von Künstler:innen.  

 

Glossar 

Manierismus: Der Manierismus stellt eine Epoche in der europäischen Kunst des 16. Jahrhunderts dar. Er existiert zwischen der Kunstepoche der Renaissance und dem Barock und wird teilweise auch als Spätrenaissance bezeichnet. Aus dem italienischen Wort «maniera» (Deutsch: Art, Stil, Manier) stammend, definiert sie den Stil, den ein Künstler individuell entwickelt.