Was die Geranie und das Alphorn mit der bildenden Kunst zu tun haben

29.09.2024
Cécile Fuchs

Was haben Geranien und Alphörner mit der bildenden Kunst zu tun? In diesem Blog werden diese zwei Symbole der alpinen und vor allem schweizerischen Identität beleuchtet. 

Die Romantik: Kunst, Natur und das Erhabene in den Alpen

Die Epoche der Romantik, die sich von Ende des 18. bis Mitte 19. Jahrhundert erstreckte, hatte tiefgreifende Auswirkungen auf Kunst, Literatur, Musik und das allgemeine Weltbild in Europa. Im Zentrum der Romantik stand die Hinwendung zur Natur, das Streben nach Ursprünglichkeit und das Ideal der einfachen, ländlichen Lebensweise. Diese Werte spiegeln sich deutlich in der Art und Weise wider, wie sowohl die Geranien als auch das Alphorn im Berner Oberland und den Alpen in dieser Zeit an Bedeutung gewann.

Einer der berühmtesten Vertreter dieser Epoche ist  Caspar David Friedrich (1774-1840). Seine Werke “Der Wanderer über dem Nebelmeer” (1818) und “Kreidefels auf Rügen” (1818) sind weltberühmt. Seine Werke verkörpern die romantische Sehnsucht nach der unberührten Natur und dem Erhabenen. Sie zeigen oft einsame Figuren, die in die Welt blicken, umgeben von majestätischen Landschaften. Diese Darstellungen spiegeln die Romantik wider, die Natur als Ausdruck des Göttlichen und Unendlichen betrachteten. Obwohl Friedrich keine Alpenmotive malte, entspricht seine Haltung dem, was das Alphorn und die Geranien symbolisieren: eine tiefe Verbindung zur Natur und der einfachen Lebensweise.

 

Joseph Anton Koch (1768-1839) ist ein weiterer Vertreter dieser Epoche. Er malte viele Landschaften, die das Erhabene und Gewaltige der Natur betonen. Besonders seine Werke  “Der Schmadribachfall” (1822) und “Heroische Landschaft mit Regenbogen” (1805), zeigen die wilde Schönheit der Schweizer Alpen und verkörpern die romantische Idee der Erhabenheit der Natur. Diese Werke stehen in direkter Verbindung zur Symbolik des Alphorn, dass die Stimme der Alpen darstellt, und zu den Geranien, die die harmonische Einbettung der menschlichen Siedlungen in die Natur verkörpern.

 

Rudolf Koller (1828-1905), ein Schweizer Maler, ist für seine detailreichen und stimmungsvollen Darstellungen des ländlichen Lebens in der Schweiz bekannt. In seinen Gemälden sind oft Tiere und Bauern zu sehen, die in der idyllischen Alpenlandschaft arbeiten. Seine Werke spiegeln das romantische Ideal des einfachen und naturverbundenen Lebens wider, das auch in der Tradition der Geranien und dem Alphorn zum Ausdruck kommt. Koller betont die Harmonie zwischen Mensch, Tier und Natur, ähnlich der Symbolik, die das Alphorn trägt. Sein berühmtestes Werk ist “Gotthardpost” (1873).

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Geranien im Kontext der Romantik

In der Romantik wurde das Landleben idealisiert, und es entstand eine neue Werteschätzung für die Schönheit und Schlichtheit der Natur. Die Romantiker:innen sehnten sich nach einem Leben im Einklagung mit der Natur und fernab der Industrialisierung, die die Städte zunehmend prägte. In dieser Epoche erlebte die Tradition, Häuser mit Blumen zu schmücken, eine besondere Blütezeit.

Die Geranie, mit ihren leuchtenden Farben und ihrer Robustheit, wurde zu einem Symbol für die romantische Vorstellung des ländlichen Idylls. Sie schmückt noch heute die Balkone und Fenster der Chalets im Berner Oberland und trug zur Schaffung eines Bildes von ländlicher Unberührtheit und Harmonie bei. Die Verbreitung der Geranien in dieser Region kann daher auch als Ausdruck der romantischen Ästhetik verstanden werden, die die Verbindung zwischen Menschen und Natur betont.

Doch woher kommt die Geranie? Die Geranien, insbesondere die “Pelargonien”, haben eine faszinierende Reise hinter sich, bevor sie zu einem festen Bestandteil der alpinen Kultur wurden. Ursprünglich stammen diese Pflanzen aus Südafrika und gelangen im 17. Jahrhundert durch niederländische und britische Seefahrer nach Europa. In botanischen Gärten und bei wohlhabenden Sammler:innen fanden sie zunächst Anklang, bevor sie im 18. und 19. Jahrhundert durch Handelsbeziehungen und verbesserte Transportmöglichkeiten auch in ländlichen Regionen wie das Berner Oberland gelangen.

Im 19. Jahrhundert begann im Berner Oberland dann die Tradition, Häuser mit Blumenkästen zur schmücken. Diese Kästen wurden häufig mit den leuchtend roten Geranien bepflanzt, die sich aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit und langen Blütezeit perfekt für das alpine Klima eigneten. Die Geranien entwickelten sich rasch zu einem Symbol für das ländliche Idyll und die Heimatverbundenheit der Alpen. Heute sind die roten Geranien auf den Holbalkonen der Chalets zu einem typischen und unverwechselbaren Bild für die Region geworden, das auch Touristen anzieht und zur regionalen Identität beiträgt. 

So sind Pflanzen auch immer Zeugen von Kolonialgeschichte und dem migrieren von einem Standort zum anderen. Der Künstler Uriel Orlow beleuchtet die Beziehung der Geranie und Migration aus einem spannenden Blickwinkel. 

 

Das Alphorn in der Romantik

Der Ursprung des Alphorns lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, als ähnliche Blasinstrumente aus natürlichen Materialien wie Tierhörnern in Europa weit verwendet wurden. Das Alphorn, wie wir es heute kennen, wurde im 16. Jahrhundert erstmals in schriftlichen Quellen erwähnt. Es diente den Hirten in den Alpen als Kommunikationsmittel, um über weite Distanzen Signale zu senden, um die Tiere zusammenzurufen.

Mit der Zeit entwickelte sich das Alphorn von einem rein praktischen Instrument zu einem festen Bestandteil der alpenländischen Musikkultur. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde es in der Volksmusik integriert und erlebte während der Romantik eine Wiederentdeckung als Symbol für die Reinheit und Ursprünglichkeit der Alpen. Besonders in der Schweiz, wo das Alphorn heute als Nationalsymbol gilt, hat es eine zentrale kulturelle Bedeutung. Es wird bei offiziellen Anlässen, touristischen Veranstaltungen und in der modernen Musik gespielt, was seine Bedeutung weit über die Alpen hinaus trägt. 

Für Romantiker stand das Alphorn symbolisch für die Ursprünglichkeit, die Einfachheit und die Reinheit der alpinen Lebensweise. Es verkörpert die unberührte Natur der Alpen, das einfache Leben der Hirten und die tiefe Verbundenheit mit der Landschaft. 

Die Romantik als verbindendes Element

Die Romantik trug entscheidend dazu bei, dass sowohl Geranien als auch das Alphorn in der alpinen Kultur verankert wurden. Beide Symbole spiegeln die romantische Sehnsucht nach einem Leben in Harmonie mit der Natur wider. Während die Geranie das ästhetische Ideal des ländlichen Idylls verkörperten, repräsentierte das Alphorn die musikalische Ausdruckskraft der natürlichen und ursprünglichen Lebensweise der Alpenbewohner:innen. Insgesamt half die Romantik, die Bedeutung dieser kulturellen Symbole zu festigen und sie als wesentliche Bestandteile der regionalen Identität im Berner Oberland und den Alpen zu etablieren. Beide, die Geranien und das Alphorn, tragen bis heute die romantische Idee der Naturverbundenheit, Einfachheit und Authentizität in sich.