Das Sterben und der Tod – versöhnliche Worte und Bilder aus der Philosophie und der Kunstgeschichte
Philosophie über den Tod
Platon und das Jenseits als Befreiung der Seele
In Platons "Phaidon", einem seiner bekanntesten Dialoge, wird der Tod als Trennung von Körper und Seele verstanden. Für Platon ist der Körper eine Art Gefängnis der Seele, und der Tod befreit die Seele, damit sie in eine rein geistige Existenz übergehen kann. Der Übergang ins Jenseits ist für Platon nicht tragisch, sondern eine Rückkehr der Seele in das Reich der Ideen, wo sie Zugang zur wahren Erkenntnis hat. In Platons Vorstellung markiert der Tod den Übergang in eine höhere, göttliche Existenz.
Immanuel Kant und das Unbegreifliche des Jenseits
Kant setzte sich in seiner Kritik der reinen Vernunft (1781) auch mit der Frage auseinander, was jenseits des Lebens liegt. Während er sich nicht auf metaphysische Spekulationen über das Jenseits einlässt, betrachtet Kant den Tod als eine Grenze des menschlichen Verstandes. Für ihn ist das Sterben kein Übergang, den der Mensch vollständig begreifen kann, sondern eine Erfahrung, die außerhalb des menschlichen Wissens liegt. Gleichzeitig ist das moralische Handeln nach Kant durch den Glauben an eine unsterbliche Seele geprägt – die Idee des Jenseits dient als moralischer Kompass.
Martin Heidegger und das «Sein zum Tode»
In seinem Meisterwerk "Sein und Zeit" (1927) greift Martin Heidegger das Thema auf und beschreibt den Tod als die ultimative Möglichkeit des Seins, die das menschliche Leben definiert. Er verwendet den Begriff „Sein zum Tode“, um die Tatsache zu betonen, dass die menschliche Existenz immer im Angesicht des Todes steht. Der Tod wird dabei nicht als isoliertes Ereignis, sondern als fundamentale Bedingung für das Verstehen von Existenz betrachtet: Indem der Mensch die Endlichkeit seines Lebens erkennt, wird ihm die Bedeutung des eigenen Handelns und seiner Entscheidungen bewusst.
Jean-Paul Sartre und das Nichts
Im Gegensatz zu Platon und als Fortführung Heideggers, sieht Jean-Paul Sartre den Tod in einem rein materialistischen Sinne. In seinem Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ (1943) beschreibt er den Tod als das „Nichts“, das den Menschen erwartet. Für Sartre gibt es kein Jenseits, kein Fortbestehen der Seele. Der Tod beendet die Existenz des Menschen vollständig. Diese Vorstellung des Todes ist mit der existenzialistischen Idee des Absurden verbunden: Das Leben hat keinen höheren Sinn, und der Mensch muss sich selbst definieren, ohne sich auf eine zukünftige Existenz im Jenseits zu verlassen.
Albert Camus und das Absurde am Leben
Albert Camus, ebenfalls ein Vertreter des Existenzialismus, sieht in seinem Werk „Der Mythos des Sisyphos“ (1942) den Tod als Teil des „absurden“ Zustands des Lebens. Das Leben sei sinnlos und voller Widersprüche, und der Tod führe letztlich zur Erkenntnis dieser Absurdität. Dennoch ruft Camus dazu auf, diesen Zustand anzunehmen und den Mut zu finden, im Angesicht des Todes ein authentisches Leben zu führen.
Kunstwerke über das Sterben und den Übergang ins Jenseits
Die Kunst hat das Sterben oft als Moment des Übergangs in eine andere Daseinsform dargestellt, sei es durch religiöse, symbolische oder metaphorische Bilder. Hier sind einige bedeutende Beispiele, die sich mit dem Sterben und dem Übergang ins Jenseits befassen:
William Blake – The soul hovering over the body reluctantly parthing with life (1805)
Diese Zeichnung ist eine kraftvolle Darstellung des Moments des Todes. Es zeigt den Augenblick, in dem die Seele den Körper verlässt, was bei Blake als tief symbolischer und spiritueller Prozess dargestellt wird. Blake, der von christlicher und mystischen Ideen geprägt war, sah den Tod als Befreiung der Seele vom Körper. In diesem Werk illustriert er das Sterben als einen Prozess, der mit Emotionen wie Zögern und Angst verbunden ist, aber letztlich zur Erlösung führt. Die Darstellung der schwebenden Seele drückt diese Spannung aus – das Festhalten am Leben, aber auch das Erkennen der Notwendigkeit des Übergangs ins Jenseits. Es fordert jedoch den Menschen emotional und metaphysisch heraus.
Arnold Böcklin – Die Toteninsel (1880)
Arnold Böcklins „Die Toteninsel“ (Kunstmuseum Basel, 1. Fassung, 1880) ist eines der berühmtesten Werke, die das Thema des Übergangs ins Jenseits thematisieren. Das Gemälde zeigt eine kleine, felsige Insel. Ein Boot mit einer verhüllten Gestalt und einem Fährmann nähert sich der Insel. Das Werk ist eine allegorische Darstellung des Übergangs der Seele in das Reich der Toten. Die düstere, stille Atmosphäre des Bildes lässt den Tod als einen mysteriösen, vielleicht friedvollen Übergang erscheinen, während der Fährmann an die antike Vorstellung des Charon erinnert, der die Seelen über den Fluss Styx ins Totenreich bringt.
2. Fassung New York im Metropolitan Museums of Art.
3. Fassung ist in Berlin
4. Fassung wurde zerstört im 2. Weltkrieg.
5. Fassung: Ist im Museum der bildenden Künste Leipzig.
Gustav Klimt – Tod und Leben (1910/1915)
Klimts Gemälde „Tod und Leben“ ist eine weitere allegorische Darstellung des Todes als unvermeidlicher Teil des menschlichen Daseins. Der Tod, dargestellt als Skelett mit einem farbenfrohen Gewand, steht dem Leben gegenüber, das in all seiner Lebendigkeit und Schönheit dargestellt ist. Klimt fasst hier das Sterben und den Tod nicht nur als Ende des Lebens auf, sondern als einen ständigen Begleiter, der die Zerbrechlichkeit und Kostbarkeit des Lebens betont. Der Tod wird in dieser symbolischen Darstellung als Teil eines natürlichen Zyklus verstanden, der den Übergang ins Jenseits unvermeidlich macht.
Frida Kahlo – Der Tod als ständiger Begleiter
Frida Kahlo stand dem Tod durch ihre eigenen gesundheitlichen Leiden und die Nähe zur mexikanischen Kultur, in der der Tod als natürlicher Teil des Lebens angesehen wird, sehr nahe. In ihren Selbstporträts zeigt sie oft Symbole des Todes, wie etwa in „Henry Ford Hospital“, in dem sie den Verlust eines Kindes und die Zerbrechlichkeit ihres Körpers thematisiert. Kahlo sagte einmal: „Ich habe zwei große Unfälle in meinem Leben überlebt. Der erste war der Busunfall, der zweite war Diego [ihr Mann].“ Ihr Humor angesichts der tragischen Ereignisse in ihrem Leben zeigt, wie sehr der Tod in ihrer Kunst und ihrem Denken präsent war.
Edvard Munch – Tod und Einsamkeit
Edvard Munchs Beziehung zum Tod ist stark von seiner persönlichen Biografie geprägt. Der frühe Tod seiner Mutter und Schwester hinterließ bei ihm tiefe seelische Wunden. In seinem Werk „Der Tod im Krankenzimmer“ zeigt er, wie der Tod Familien zerstört und tiefe Einsamkeit hinterlässt. Munch selbst beschrieb seine Arbeit als eine „Reflexion über die menschliche Tragödie“ und sagte: „Krankheit, Wahnsinn und Tod waren die Engel, die mein Leben begleitet haben.“ Für Munch war der Tod kein abstraktes Konzept, sondern eine schmerzliche Realität, die ihn persönlich immer wieder heimsuchte.
Georgia O'Keeffe – Ästhetik des Todes
Während viele Künstler den Tod als tragisches Ereignis darstellen, sieht Georgia O'Keeffe in ihren Gemälden von Tierknochen und Wüstenlandschaften die Schönheit und das Dauerhafte im Tod. In Werken wie „Cow's Skull: Red, White, and Blue“ (Metropolitan Museum of Art, New York) wird der Tod nicht als etwas Unheimliches dargestellt, sondern als etwas, das in der Natur eine eigene, stille Schönheit besitzt. O'Keeffe reflektierte darüber, wie der Tod in der Wüste allgegenwärtig war, aber gleichzeitig in seiner Beständigkeit auch beruhigend wirken konnte.
Thomas Haensgen und seine Werke “Duality”
Eine Annäherung an die Themen Sterben und Tod greift Thomas Haensgen in seinen aktuellen Arbeiten auf. Bemerkenswert ist, dass diese entstanden sind, während Haensgen selbst aufgrund von mehreren Gehirnentzündungen viermal im Koma lag, jedesmal mittels EEG zeitweilig eine Nulllinie aufgezeichnet wurde, er jedoch wie durch ein Wunder jedes dieser vier Male überlebt hat. Um eine bzw. vier sehr außergewöhnliche Erfahrungen reicher.
In der kunsthistorischen Tradition finden sich nur wenige Beispiele für Künstler, die den Tod auf derart persönliche und direkte Weise zum Thema machen, wie es Haensgen in „Duality“ tut. Während der Tod in der Kunst oft als Allegorie, Symbol oder stilistischer Gegenpol zum Leben inszeniert wird, bleibt er in Haensgens Arbeiten eine erlebte, durchlebte Erfahrung. In gewisser Weise erinnert dies an die „schwarzen Bilder“ von Goya (Prado, Madrid), die in ihrer Düsternis und ihrem existenziellen Pessimismus ein tiefes Gefühl der Endlichkeit vermitteln – doch im Gegensatz zu Goya verweigert Haensgen den Rückgriff auf das Abgründige oder das Bedrohliche. Er wählt einen ganz anderen Weg: Licht, Klarheit und Struktur in seinen Werken suggerieren keine Endgültigkeit, sondern vielmehr einen Übergang, eine Passage.
Dieser Gedanke des Übergangs – sowohl ästhetisch als auch thematisch – verbindet Thomas Haensgen mit Künstlern, die die Transformation zum Leitmotiv ihrer Arbeiten machten. Marcel Duchamp etwa, der mit seinem Werk „Étant donnés“ (Philadelphia Museum of Art) einen ähnlichen Blick in eine andere, fast unzugängliche Realität wagte, zeigte, dass das Jenseits auch als formales Rätsel in der Kunst funktionieren kann. Doch während Duchamp das Jenseits als mysteriösen und verschlossenen Raum darstellte, in dem das Geheimnis verborgen bleibt, öffnet Haensgen den Blick. Seine Werke sind keine Puzzles, die es zu entschlüsseln gilt, sondern offene Fenster, die eine Welt zeigen, die für die meisten verborgen bleibt, aber dennoch existiert – und in dieser Existenz nichts Schreckliches birgt.
Diese Transparenz im Umgang mit dem Jenseits ist vielleicht die radikalste Geste in Haensgens aktuellen Werken. In einer Zeit, in der die moderne Kunst oft auf Dekonstruktion und ironische Distanz setzt, kommt „Duality“ mit einer erstaunlichen Aufrichtigkeit daher. Haensgen spielt nicht mit den üblichen Mechanismen der Kunsttheorie oder der Postmoderne, die das Ende der „großen Erzählungen“ propagieren. Stattdessen geht er in die entgegengesetzte Richtung – er erzählt die größte aller Geschichten, die des Lebens und des Todes, ohne den Anspruch, sie völlig verstehen oder erklären zu können. Diese Haltung, die in ihrer Einfachheit fast demütig wirkt, verleiht seinen Arbeiten eine tiefere Dimension.
Diese Idee des Verschmelzens und der Aufhebung von Gegensätzen ist auch in der Struktur von Haensgens Serie spürbar. „Duality“ verweist im Titel auf das scheinbare Paradoxon von Leben und Tod, aber die Werke selbst suggerieren, dass diese Dualität eine Illusion ist. Vielmehr sieht Haensgen das Leben und den Tod als Teil eines größeren, unteilbaren Ganzen. Dieser Gedanke erinnert an die Philosophie des Taoismus, in der das „Yin und Yang“-Prinzip besagt, dass scheinbar gegensätzliche Kräfte miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Haensgens Arbeiten illustrieren dieses Prinzip visuell: Leben und Tod durchdringen einander in einem ständigen Fluss, und der Übergang von einem Zustand in den anderen ist kein Bruch, sondern eine natürliche, fließende Bewegung.
In der Rezeption von „Duality“ ist daher nicht nur der persönliche Hintergrund des Künstlers von Bedeutung, sondern auch die philosophische und spirituelle Ebene, die er in seine Werke einwebt. Seine Fotografien fordern den Betrachter auf, innezuhalten und die eigene Beziehung zum Tod zu überdenken – nicht als endgültiges Ende, sondern als Teil eines größeren, unendlichen Zyklus. Die visuelle Sprache, die Haensgen hierfür wählt, ist ebenso klar wie subtil: durch den Einsatz von Licht und Schatten, durch die Verwischung der Grenzen zwischen Realität und Abstraktion, gelingt es ihm, eine Atmosphäre zu schaffen, die gleichzeitig beruhigend und geheimnisvoll ist.
12 Werke von Thomas Haensge Duality
Fazit: Sterben und Jenseits in der Kunst und Philosophie
Das Sterben und der Übergang ins Jenseits sind in Kunst und Philosophie zentrale Themen, die seit Jahrtausenden reflektiert werden. Während Philosophen wie Platon, Kant und Sartre unterschiedliche Ansätze zur Bedeutung des Todes und der Existenz nach dem Tod entwickelten, haben Künstler oft