Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen Teil 2: Von Paris nach Berlin

26.09.2022
Lea Kämpf

Die dreiteilige Blog-Serie thematisiert die Beeinflussung von Künstler:innen untereinander. Der Fokus liegt dabei vermehrt auf Kunstschaffenden, die auf art24 zu entdecken sind. Sie erkundet die direkte und indirekte Einflussnahme anhand beispielhafter Künstler:innenfreundschaften, Künstler:innengemeinschaften oder Künstler:innen-Inspirationen. Im ersten Teil führte die Reise, ausgehend von Spanien in die USA nach New York. Im zweiten Teil geht die Reise weiter von Paris über Dresden nach Berlin.  

Während der erste Teil Beispiele indirekter Beeinflussung vorstellt, fokussieren die Teile 2 und 3 auf die direkte Einflussnahme von Künstler:innen. Die zwei grössten Künstler, die indirekt die Kunst bestimmter art24 Künstlern mitgestalteten, stellen Pablo Picasso und Andy Warhol dar. 100 Jahre bevor Picasso und Warhol die Kunstwelt eroberten, galt die «moderne Kunst» noch dem Impressionismus, dem Jugendstil und insbesondere dem Expressionismus.  

 

Cuno Amiet und Giovanni Giacometti  

In der Schweiz gehörten die Maler Cuno Amiet (1868-1961), Giovanni Giacometti (1868-1933) und Ferdinand Hodler (1853-1918) zu den bedeutendsten Wegbereitern der Moderne. Amiet und Giacometti trafen sich im Jahr 1887 das erste Mal. Von Oktober 1888 bis Mai 1892 lebten und arbeiteten sie in einer Wohn- und Ateliergemeinschaft in Paris. Hier portraitieren sie sich gegenseitig, waren künstlerisch viel tätig und vertieften ihre Künstlerfreundschaft. Bis 1920 sollen die beiden einander in ihrer Kunst beeinflusst haben.  

Das Video der Schweizer Filmwochenschau zur damaligen Doppelausstellung anlässlich des 100. Geburtstages beider Schweizer Maler in der Berner Kunsthalle zeigt zwei Portraits des jeweils anderen in ihrem gemeinsamen Atelier in Paris.

Bildausschnitt (Minute 3:36) des Videos Schweizer Filmwochenschau (29.3.1968) ©Cinémathèque suisse Schweizerisches Bundesarchiv 

 

Weitere gegenseitige Portraits, die während des Pariser Wohn- und Arbeitsaufenthaltes entstanden sind, stellen Giacomettis Gemälde «Cuno Amiet, Mandoline spielend» (1890), «Amiet, lesend, Paris» (1891) sowie Amiets Gemälde «Giovanni Giacometti an der Staffelei» (1889) und «Giovanni Giacometti am Fenster lesend (Paris)» (1890) dar.  

Das nachfolgende Bild zeigt eine Auswahl an Werken von Cuno Amiet, die ihn selbst beim Malen oder weitere Künstlerportraits zeigen. In der Mitte ist beispielsweise ein Portrait der französischen Bildhauerin Germaine Richier (1902—1959) zu entdecken, die eine Studienkollegin von Alberto Giacometti (1901-1966), dem Sohn von Giovanni Giacometti, im Atelier von Émile-Antoine Bourdelle (1861-1929) war.  

Werkauswahl Cuno Amiet 

 

Erich Heckel und Ernst-Ludwig Kirchner  

 

Im gleichen Zeitraumentstanden in Deutschland ganz andere Arten von Künstlergemeinschaften. Künstler wie Erich Heckel (1883-1970), Ernst-Ludwig Kirchner (1880-1938), Hermann Max Pechstein (1881-1955), Franz Marc (1880-1916), Emil Nolde (1867-1956) oder Paul Klee (1879-1940) beeinflussten den deutschen Expressionismus massgeblich mit.  

Heckel und Kirchner lernten sich 1905 als Architekturstudenten in Dresden kennen. Mit weiteren Studienkollegen, Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) und Fritz Bleyl (1880-1966) bekundeten sie ihre Leidenschaft für Kunst und gründeten die Künstlergemeinschaft Brücke, der sich später auch weitere Künstler wie Amiet und Pechstein anschlossen. 

Das Ziel war eine neue, jüngere, freiere Schaffensgeneration, welche die alten Konventionen aufbrechen wollte und einen einheitlichen Malstil verfolgte. Gemeinsam arbeiteten sie im Atelier der Brücke oder in der freien Natur in Dresden und beeinflussten den Malstil der anderen Brücke-Mitglieder beträchtlich mit. Fünf Jahre nach der Gründung, im Jahr 1910, blühte das künstlerische Schaffen der Gruppe auf. Sie fand einen gemeinsamen Kunststil, der in der kräftigen Farbauswahl, einem energischen und schnellen Pinselstrich der detaillosen, leicht abstrahierten, kantigen Ausführung lag. Künstlerisch drückte man sich in der Lithografie, in der Aquarellmalerei oder dem Holzschnitt aus. Motivisch wählte man den Menschen, den Akt, den Zirkus und das Varieté, die Natur und die Stadt. 

Die Freundschaft zwischen Heckel, Kirchner und Pechstein vertiefte sich. Gemeinsam, aber auch einzeln, reisten sie nach Berlin, Hamburg oder weiter gen Norden. Im Jahr 1911 zog es die Brücke-Künstler dann gemeinsam nach Berlin. Allmählich entwickelten sich die Künstler in andere Richtungen und die Verbundenheit bröckelte. So wurde Pechstein 1912 von der Gruppe ausgeschlossen, da er nicht an der Ausstellung der «Neuen Secession», einer von den Brücke-Mitgliedern gegründete Ausstellungsgemeinschaft, teilnehmen wollte ahm, sondern stattdessen an der Berliner Secession vertreten war. Ein Jahr später löst sich die Brücke aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe auf.  

Kirchner, der den Text für die Brücke-Chronik 1913 verfasste, soll sich als Leiter der Gruppe hervorgehoben haben. Den Stolz und Hochmut seines Künstlerfreundes sowie die Enttäuschung über den Verlust dieser Freundschaft, verarbeitete Heckel in seiner Kunst. 1917 entstand das Bild «Roquairol», nach der Romanfigur von Jean Paul. In ihr soll Heckel Kirchner gesehen haben. Der Romanfiguren werden dabei negative Charaktereigenschaften wie Eifersucht, Bosheit, Zerrissenheit und Verrat zugeschrieben.  

Während sich die Künstler in ihrer freundschaftlichen Beziehung beeinflussten, übten sie auch nach dieser gemeinsamen Zeit oft auch nachhaltig, ob positiv oder negativ bedingt, Einfluss auf die Malerei des anderen aus. 

 

Quellennachweis und Links für weitere Informationen:  

 

Im dritten Blogteil «Künstler:innen beeinflussen Künstler:innen Teil 3: Von München in die Schweiz» werden weitere Künstler:innenfreundschaften vorgestellt, die gegenseitig von ihrer gemeinsamen Arbeit profitierten. Die Reise endet in der Schweiz.