Regenbogen #12 – Ein Regenbogen ist ein Regenbogen ist ein Regenbogen… - eine Geschichte ohne Ende

05.04.2024
Martina Kral

Den Impuls gab das bunte art24-Logo mit seinen zerfliessenden Farbverläufen: Der Gedankensprung zu einem schillernden Regenbogen inspirierte uns Autorinnen, dieses flüchtige, farbenfrohe Himmelsphänomen aus der kunstbezogenen Perspektive einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Das Resultat: eine Reihe aus 11 facettenreichen Blogs zur Geschichte des Regenbogens mit seinen symbolischen, kulturellen, kunstbezogenen, religiösen wie mythologischen Aspekten – von den Anfängen bis zur Gegenwart. Nun setzen wir dieser Geschichte ein Ende, die eigentlich kein Ende hat: denn es wird immer Kunstschaffende geben, die der geheimnisvollen Aura des Regenbogens verfallen und diese visualisieren. Ein Rück- und Ausblick. 

Wie alles begann: Regenbögen als Symbole für Gottheiten oder Himmelsrisse 

Dieser magische, einst wissenschaftlich unerklärliche Bogen fasziniert die Menschheit seit Urzeiten. Je nach kultureller Zugehörigkeit hatte das Himmelsphänomen mit seiner breiten Symbolik unterschiedliche Erklärungen: die Mayas etwa sahen in ihm eine Göttin, die nordische Mythologie verstand im Regenbogen eine Brücke zwischen dem Reich von Göttern und den Menschen, in China flickte er einen Himmelsriss mit fünf farbigen Steinen und den australischen Aborigines war die himmelsbewohnende, zweigeschlechtliche Regenbogenschlange ein Symbol für die Unendlichkeit der Welt (art24-Regenbogen #1).

 

Bild 1: Reproduktion einer Felsenmalerei im Tassili n’Ajjer Gebirge in der Sahara Algeriens, 6’000-4'000 v. Chr., Tänzerin oder Göttin, vermutlich von einem Regenbogen umrahmt, Foto: smarthistory.org.

 

Regenbögen als Friedenszeichen oder göttliches Licht

Sein plötzliches Erscheinen am Himmel übte auf die Menschen auch im frühen und späten Mittelalter eine grosse Faszination aus: War es ein Wunder? Gar ein Zeichen für die göttliche, überirdische Sphäre? Etliche Stellen in der Bibel wie auch in weltlichen Epen verweisen auf den Regenbogen als hoffnungsvolle Brücke zwischen Gott und Mensch und in späteren Darstellungen als Heilszeichen für «Gott mit uns». Als Motiv für «Christus in der Glorie» (als Zeichen der Herrlichkeit Gottes/Christus) verweist der Regenbogen auf das für den Menschen Unbegreiflich-Göttliche (art24-Regenbogen #2). Im Verlauf des Spätmittelalters hin zur Frührenaissance mutiert er in Weltgerichts-Darstellungen zum farbenfrohen, verblüffend naturnahen Regenbogenthron für Christus und - als motivische Besonderheit - in Verkündigungsszenen zu farbenprächtigen Engelsflügeln, die das unerklärliche Geschehen unterstreichen (art24-Regenbogen #3). 

 

Bild 2: Das Jüngste Gericht mit Christus als Pantokrator auf dem Regenbogenthron in einer Regenbogen-Mandorla, Giotto di Bondone, Arena-Kapelle in Padua, Fresko an der Westwand, 1304-1306. Foto: zeno.org.

 

Regenbögen unter Beobachtung

Das 15. und 16. Jahrhundert ist die Zeit von gründlicher Beobachtung und wissenschaftlicher Erkenntnis, die die Künstler:innen zum genauen Hinsehen antrieb. Ob Leonardo da Vinci (1452-1519) oder Raffael (da Urbino, 1483-1520), sie waren wissensdurstige Maler-Forscher, die ihre naturbezogenen Analysen in Studien festhielten. Im Regenbogen entdeckten sie von der Natur vorgegebene Harmoniegesetze, die es in farblicher Perfektion umzusetzen galt. Der Regenbogen war auf dem Weg zur wissenschaftlichen Erforschung (art24-Regenbogen #4). 

 

Bild 3: Raffael da Urbino, Madonna von Foligno (1511/12). Tempera auf Tafelbild, 1800/01 auf Leinwand übertragen, 308 x 109 cm, Vatikanische Pinakothek (Saal VIII), Vatikanstadt.

 

Obschon Aristoteles bei der Ausarbeitung seiner Farbtheorie mit Lichteinfällen durch diverse Farbgläser experimentiert hatte, legte erst da Vinci im 15. Jahrhundert «einen der wichtigsten ersten theoretischen Grundsteine für die systematische Anordnung der Farben» (art24-Regenbogen #5); die dann wiederum zum Farbkreis eines Isaac Newtons im 18. Jahrhundert, eines J. W. von Goethe im frühen 19. Jahrhundert, bis hin zum Farbstern von Johannes Itten oder dem Farbkreis von Paul Klee im 20. Jahrhundert führten - der Regenbogen und seine Farben waren immer begleitende Faktoren.

 

Bild 4-6: Paul Klee (1927), Farbräder von Klee aus seinem Manuskript zur Gestaltungslehre ©Zentrum Paul Klee.

 

Regenbögen als Symbol für Chaos, Drama, Imagination oder Vernunft

Hatte das Barockzeitalter einen ausgeprägten Sinn für blühende Fantasie, Skurriles oder überbordende Sinnlichkeit und Rätsel, die den Regenbogen zwischen Idealismus, Illusionismus, in dramatisch inszenierten Landschaftskulissen oder überbordenden Deckenfresken ansiedelten (art24-Regenbogen #6), verpflichteten sich Kunstschaffende in der Epoche von Aufklärung und Vernunft (art24-Regenbogen #7) einerseits zur exakten Wiedergabe optisch genau beobachteter Himmelsatmosphären, wie die erfolgreiche Angelika Kauffmann (1741-1807); anderseits gab es Visionäre wie William Blake (1757-1827), die ferne Universen oder bedrohliche Apokalypsen erfanden, in denen sich regenbogen-ähnliche Farbverläufe wiederfinden lassen. 

 

Bild 7: Angelika Kauffmann, Colouring, 1778 bis 1780, querovales Deckengemälde, 130 x 149.5 cm, Royal Academy of Arts, Somerset House, London. Foto: Wikimedia Commons.

 

Regenbögen als Glücksbringer, Hoffnungsträger oder unter Beobachtung

War der «bunte Bogen» für den Dichter Goethe noch ein Zeichen für Glück und Hoffnung, erhielt er unter dem Pinsel des englischen Künstlers William Turner den Status eines Naturphänomens, das - akribisch im Freien beobachtet - einzig und allein sich selbst genügt, ohne symbolisch aufgeladen zu sein. Dass Caspar David Friedrich (1774-1840) in einer Gewitter-Landschaft einen weissen Bogen als Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen setzt und damit die Tradition religiöser Bildwerke wahrt, vermag bei aller romantischen Erhabenheit dann doch verwundern und spiegelt die interpretatorische Vielschichtigkeit des Regenbogens wider. Erst die Impressionisten fanden wieder zur genauen Naturbeobachtung zurück, während symbolbehaftete und stilisierte Regenbögen die Epoche von Symbolismus und Jugendstil charakterisierten (art24-Regenbogen #8). 

 

Bild 8: Joseph Mallord William Turner, A Rainbow, um 1820, Aquarell auf Papier, 35.3 x 48.8 cm, Graphisches Kabinett, Tate Britain (Turner Vermächtnis CXCVI R).

 

Regenbögen als Spiegel von Kunststilen, Werbeträger und Friedenssymbol

So individuell wie die Kunstschaffenden, wurden ihre gemalten Regenbögen im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Kaum mehr waren sie Abbild der Realität, sondern Ausdruck persönlicher Stimmungslagen, die zeitentsprechende Stile widerspiegeln: mal expressionistisch-poetisch bei Wassily Kandinsky oder expressiv-spirituell bei Franz Marc, mal eine überirdisch-geistige Sphäre visualisierend, wie bei Paul Klee bis hin zu einer abstrahierten Formensprache bei Arthur Segal oder der Sichtbarmachung von Naturkräften bei Otto Piene (art24-Regenbogen #9).

 

Bild 9: Otto Piene, Lichtbogen (Regenbogen für Hering), Farbserigrafie auf Karton, handüberarbeitet mit Sprühfarbe, 1966, 50 x 70 cm, signiert, datiert, Epreuve d`artiste. Privatbesitz.

 

In den nächsten Jahrzehnten entdeckten die Massenmedien und die Werbung zunehmen den Regenbogen (art24-Regenbogen #10). Und mit dem Aufkommen aktivistischer Bewegungen in den 1960er und 1970er Jahren avancierte der bunte Bogen mehr und mehr zum Symbol der Friedensbewegung als «Pace-Fahne» und wurde international erkennbares Zeichen der Lesben- und Schwulenbewegung. Ein Siegeszug, der sich im 21. Jahrhundert in Architektur, Installation oder immersiver Kunst fortsetzt, dank moderner Technologien atmosphärische, begehbare Welten kreiert, die dem Regenbogen neue Dimensionen verleihen und uns Teil der Kunst werden lassen (art24-Regenbogen #11). 

 

Bild 10: Kunstmuseum ARoS in Aarhus mit der Installation «Your Rainbow Panorama» von Ólafur Elíasson auf dem Dach, erbaut 2004, Foto: Wikipedia CC BY-SA 4.0

 

Was werden wir in Zukunft noch alles erleben, wenn KI-generierte, regenbogen-bunte Kunstträume wahr werden? Wenn Künstler:innen mit heute noch unbekannten Methoden Regenbogen-Räume oder -Ebenen kreieren, die gestressten, motivationslosen Menschen Entschleunigung, Regeneration und Resilienz bringen? Lassen wir unserer Fantasie und Inspiration freien Lauf; bestaunen wir das nächste Mal beim Erscheinen eines Regenbogens am Himmel sein buntes Farbenspiel und erinnern uns daran, dass unsere Vorfahren den Regenbogen einst als mystisches Wunder betrachteten.

Auf der Plattform von art24 vereinigt sich wie im Regenbogen ein vielfältiges, farbenfrohes Universum, in dem die Kreativität von Kunstschaffenden im Zentrum steht. Der Farbverlauf des art24-Logos visualisiert diese Kreativität als Welt des Unerschöpflichen. Hast Du schon ein regenbogen-buntes Lieblingswerk auf art24 entdeckt? Oder ist Dir ein Regenbogen-Bild in einer Galerie oder einem Museum aufgefallen? Schreib uns darüber. Wir freuen uns auf Dein Feedback unter hello@art24.world.