Auf den Spuren von #6 PARIS - Die Bedeutung von Paris für die Moderne Kunst | art24
Die Bedeutung der Stadt Paris in der Kunst
Als Teil der Blogreihe «Auf den Spuren von» stellen wir euch neu eine Stadt, eine Region oder einen Ort vor, der für die Künstler:innen auf art24 eine Besonderheit darstellt. Begleitend wird die kunsthistorische Bedeutung des Ortes erarbeitet: Welche Wichtigkeit spielte der Ort in der Kunstgeschichte und für die Kunstszene? Wie beeinflusst(e) und inspiriert(e) er die Künstler:innen der Vergangenheit und/oder die Künstler:innen von heute und welche Bedeutung trägt er für die Kunstschaffenden auf art24?
Unsere erste Stadt: Paris die Kunsthauptstadt Europas
Als Geburtsstadt der Moderne und über Jahrzehnte hinweg “Kunsthauptstadt Europas”, ist die moderne Kunst aus Paris gar nicht mehr wegzudenken. Der Montmarte und der Montparnasse entwickelten sich in den letzten zwei Jahrhunderten zu den wichtigsten Kunstzentren der Abstraktion, des Kubismus und des Surrealismus sowie der Avantgarde. Welche Künstler:innen auf art24 die beiden Kunstviertel und die damit revolutionierende Pariser Kunstszene anzog, findet ihr hier heraus.
Paris als Dreh- und Angelpunkt der Kunstschaffung
Paris, die Stadt der Liebe. Die wohl meistbesuchte Stadt Europas. Der Dreh- und Angelpunkt der Kunstschaffung des 19. und 20. Jahrhunderts. Bilder von Monet, Renoir, Matisse, Chagall, Cézanne oder Toulouse-Lautrec tauchen bei diesem Gedanken auf. Namen, die für Kunstinteressierte keine unbekannten sind.
Während Frankreich aus dem Barock (17. Jhdt.) heraus, als der Pariser Künstler Charles Le Brun eine bedeutende Rolle spielte, den Kunststil des Rokokos (18. Jhd.) begründete und damit Künstler wie Jean Siméon Chardin und Jean-Honoré Fragonard als bekannte Maler des Rokokos hervorgingen, war es jedoch die 2. Hälfte des 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, die die Kunstszene revolutionierten. Heute wird dieser Zeitraum auch als die «Moderne École de Paris» bezeichnet.
Paris wurde in dieser Zeit zum Zentrum der Kunst. Hier spielte sich die Avantgarde ab. Hierher kamen die Leute, die die neuste Kunst sehen und die neusten Künstler:innen entdecken wollten. Hierher kamen die Künstler:innen, die bekannt werden und etwas vom Ruhm und Glanz der Stadt einheimsen wollten. Sprich: Paris war das heutige Los Angeles des 19./ 20. Jahrhunderts.
Paris - Ausstellungsort von sechs Weltausstellungen
Nicht ohne Grund diente die Stadt als Ausstellungsort von sechs Weltausstellungen in den Jahren 1855, 1867, 1878, 1889, 1900 und 1937. Der französische Maler Paul Albert Baudouin nahm 1899 an der Weltausstellung in Paris teil und gewann für zwei seiner Tafelbilder «L'Abreuvoir» (dt. Die Wasserstelle) und «Les Blanchisseuses» (dt. Die Wäscherinnen) die Goldmedaille. Die Titel verlauten, dass es sich um Darstellungen aus dem alltäglichen Leben des 19. Jahrhunderts handelte. Auf art24 findet sich das Werk „Holzfäller Vorstudie“ des französischen Malers wieder, welches ebenfalls den Realismus der Zeit verewigt.
Albert Samuel Anker: Schweizer Maler studiert in Paris
Der wohl wichtigste Schweizer Maler des Realismus ist Albert Samuel Anker aus Ins, Bern. Er kam im Jahr 1851 zum ersten Mal nach Paris. Ein paar Jahre später kehrte er für sein Studium an der Ecole Impériale et Spéciale des Beaux-Arts nach Paris zurück, wo er vom Schweizer Charles Gleyre unterrichtet wird, der später auch Renoir lehrte. Bis 1890 bleibt er in Paris wohnen und war bis dahin in vielen Pariser Salons vertreten. Anker genoss seinen Aufenthalt in der französischen Stadt so sehr, dass er selbst einst sagen sollte: „dass ich mit Leib und Seele in Paris lebe und riskiere, ganz ein Pariser zu werden“. Seinen Kontakt zur Metropole Paris, den dort wirkenden klassizistischen und impressionistischen Kunstschaffenden beeinflussten seine Malweise und seinen Erfolg als Künstler. Durch den Galeristen und Kunsthändler Adolphe Goupil baute er sich eine europaweite Kundschaft auf. Für die Welt war er kein Unbekannter mehr, selbst Vincent van Gogh wurde zu einem grossen Fan Ankers.
Arthur Joseph Guéniot: Künstler des Realismus und Historismus in Paris
Ein in Frankreich preislich mehrfach ausgezeichneter Künstler des Realismus und Historismus ist Arthur Joseph Guéniot. Zusammen mit Matisse, Marquet und Rouault studierte er 1892 im Atelier von Gustave Moreau an der École des Beaux-Arts de Paris. Er war Mitglied der Société des artistes francais und erhielt u.a. einen Preis für seine Portraitmalerei, die Ehrenmedaille (1902), Bronzemedaille (1920), Silbermedaille (1925) des Salons sowie eine Goldmedaille im Jahr 1927. Eine Vielzahl seiner realistischen und naturalistischen Zeichnungen sowie Studien findet sich auf art24.
Paris belebt die Kunstwelt mit bahnbrechenden Kunststilen
Frankreich führte die anderen europäischen Länder mit neuartigen, kraftvollen und bezeichnenden Kunstströmungen regelrecht vor und belebte die Kunstwelt mit ganz neuen Stilen in kürzester Zeit. Innerhalb von ca. 70 Jahren entstanden in Frankreich bahnbrechende Kunststile, die sich von den vorherigen und nachfolgenden Strömungen abgrenzten und durch ihren selbstsicheren, neuartigen Charakter standhielten. Die fruchtbare Zeit begann mit der Entstehung des Realismus u.a. durch Gustave Courbet und den Pariser Salons Mitte des 19 Jahrhunderts, ging weiter mit dem Impressionismus, der ab den 1860er Jahren von den Pariser Künstler Camille Pissarro, Edgar Degas, Claude Monet und Paul Gauguin bestimmt wurde, erreichte den Symbolismus, der sich von Frankreich aus bei der Weltausstellung in Paris 1889 verbreitete, weiter zum Jugendstil (oder auch Art Nouveau genannt) 10 Jahre später, der ebenfalls bei der Weltausstellung in Paris (1900)) europaweite Aufmerksamkeit erlangte, schliesslich zum Fauvismus und Expressionismus rund um die französischen Maler Henri Matisse und Paul Cézanne Anfang des 20. Jahrhunderts, über den Futurismus und Kubismus, der in den Pariser Künstlersiedlungen vorherrschte, bis hin zum Surrealismus, der um 1920 in Paris durch den Schriftsteller und Kritiker André Breton eingeführt und 1924 begründet wurde.
Die Kunstszene Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts Paris stellte somit den wichtigsten Entstehungsort für die Kunstströmungen der Moderne dar und zog so auch ausländische Künstler:innen an, die nicht nur aus Neugierde heraus nach Paris kamen, sondern auch aus politischen Gründen dorthin emigrierten. Künstler:innen wie Picasso, Modigliani, Juan Gris und andere wanderten in die Hauptstadt Frankreichs aus und mischten die Pariser Kunstszene regelrecht auf.
Insbesondere die berühmten Künstlervierteln auf dem Montmartre, der bis heute Anlaufpunkt für die junge Kunst ist, und in dem Quartier Montparnasse, welches ab dem 19. Jahrhundert bis zur 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts boomte, wurden zu den wichtigsten Zentren der Kunstszene.
Die Künstler:innen in Montmartre
Zu den berühmtesten Künstlersiedlungen auf dem Montmarte zählten das «Le Bateau-Lavoir», dem sogenannten Geburtshaus des Kubismus, angeregt durch den damaligen Mitmieter Picasso, das «La Ruche», welches die Mitglieder der später benannten «École de Paris» beherbergte, wozu Picasso, Guillaume Apollinaire, Chaim Soutine, Jules Pascin, Ferdinand Léger, Juan Gris, Henri Matisse, Marc Chagall, Marcel Duchamp, Ossip Zadkine, Joan Miró, Alexandre Calder, Alberto Giacometti, Salvador Dalí gehörten, und zuletzt das «Les Fusains», welches von André Derain und Pierre Bonnard, später von Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp, Max Ernst und Joan Miró bewohnt wurde.
Im 19. Jahrhundert war der Montmartre noch ein Dorf am Rande der Hauptstadt, das unzählige Künstler:innen anlockte, die in der Nähe von Paris ein billiges und freies Leben führen konnten. Das Quartier erfuhr Umbauten und alsbald zog es die Maler wie Pierre-Auguste Renoir, Vincent van Gogh, Henri Toulouse-Lautrec, Picasso, Georges Braque, Amedeo Modigliani, Edgar Degas, Paul Cézanne, Émile Zola, Paul Gauguin, Pierre Seurat, Henri Matisse oder Raoul Dufy an.
Die auf den Montmartre kommenden Kunstschaffenden trafen und versammelten sich in Restaurants, Kabaretts, Cafés und Varietés wie im «Le Moulin de la Galette», im «Le Chat Noir» oder dem berüchtigten «Le Moulin Rouge». Viele weltbekannte Werke der genannten Künstler wie das Gemälde «Bal du moulin de la Galette» von Pierre-Auguste Renoir von 1876 oder die Ölbilder-Reihe «Le Moulin de la Galette» von Vincent van Gogh von 1886 entstanden hier. Motivisch für das «Le Chat Noir» steht das bekannte Art Nouveau-Plakat «Tournée du Chat noir» des französischen Künstlers Théophile Alexandre Steinlen von 1896 für das hauseigene Journal des Cabarets. Steinlens eher düsteren realistischen Zeichnungen der Kriegszeit finden sich auf art24.
Henri de Toulouse-Lautrec inspiriert von Moulin Rouge
Die Tanzabende im Moulin Rouge und die Atmosphäre im Moulin de la Galette inspirierten Henri de Toulouse-Lautrec gleich zu mehreren, heute sehr bekannten Werken wie «Moulin de la Galette» (1889), «Au Moulin Rouge» (1892) aus dem Institute of Chicago oder «At the Moulin Rouge, The Dance» (1890) aus dem Philadelphia Museum of Art. Auch der tschechische Künstler Frantisek Emler setzte das Pariser Varieté in seinem Gemälde „Paris“ in die Szene.
Das Treiben rund um den Montmarte und die Sacré-coeur inspirierten den deutschen Fussmaler Prof. Arnulf Erich Stegmann zu seiner Zeichnung „Viale a Montmartre“.
Maximilian Hilpert: Schweizer Künstler im Montmartre
Der Schweizer Künstler Maximilian Hilpert besuchte die Kunstakademie in Paris und war auch an das Künstlerviertel auf dem Montmartre gebunden. Seine magische Traumweltkunst aus abstrakten, symbolisch-figürlichen Elementen stilisiert er als selbsternannter «Reabsolutismus». Im Youtube-Video «Saving Maximilian Hilpert from oblivion» kann ein Einblick in seine Kunst und sein geheimnisvolles Leben gewonnen werden.
Yves Corbassière, ein Pariser Dandy, wurde 1926 auf dem Montmartre geboren. Obwohl er sein ganzes Leben in Paris verbrachte, erlangte seine abstrakt-expressive Kunst grosse Bekanntheit in den USA. Sein Werk Composition gehört dem Tachismus, der sogenannten Fleckenmalerei an, der in den 1940er Jahren von New York aus nach Paris kam.
Die 1932 in Paris geborene Nathalie Chabrier auf art24 übte sich im frühen Alter von fünf Jahren künstlerisch aus und beginnt mit sieben Jahren die Freiluftmalerei an der Seine in Paris zu entdecken. Seit dem Jugendalter besucht sie mehrere Kunstschulen in Paris. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Maler Roger Forissier, zieht sie 1954 in die Cité Montmartre-aux-artistes. Der Zirkus wird zu ihrem Lieblingsmotiv. 1964 begleitete sie den Zirkus Knie, später besucht sie den Zirkus Medrano in Paris.
Das Cité Montmartre-aux-artistes ist eine „Künstlerstadt“ in Montmartre, eine Gruppe von Gebäuden mit Künstlerateliers, die 1932 nach den Entwürfen des Architekten Adolphe Thieres im Art-Deco-Stil erbaut wurde. Die drei Häuser beinhalten 180 Wohnwerkstätten und stellen somit das grösste Künstlerviertel in Europa dar. Die Künstlerstadt wird anfänglich durch eine Aktiengesellschaft finanziell unterstützt, bis das öffentliche Amt der Stadt Paris 1936 die Defizitverwaltung des Gebäudes übernimmt. Die Residenz dient noch heute als Lebens- und Schaffensort vieler Künstler:innen.
Neben den Künstler:innenresidenzen auf Montmartre waren es die Kunstschulen, die Künstler:innen für ihr Studium nach Paris anzogen. Zu den bekanntesten Kunstakademien zählte die Académie Julian, die 1868 auf dem Montmartre eröffnete und bis 1939 zahlreiche Künstler:innen ausbildete. Auch Cuno Amiet und Giovanni Giacometti entschieden sich gemeinsam im Jahr 1888 dazu, beeindruckt von der französischen Kunst, ihre Künstler-Ausbildung an der Académie Julian weiterzuführen. Weitere namenhafte Lehrer:innen und Schüler:innen waren u.a. Jean Arp, Pierre Bonnard, Marcel Duchamp, Käthe Kollwitz, Fernand Léger, Henri Matisse, Emil Nolde und viele mehr.
Die Künstler:innen in Montparnasse
Anfang des 20. Jahrhunderts verliessen die Kunstschaffenden das Viertel auf dem Montmarte für das auflebende Künstlerviertel im Quartier du Montparnasse. Bereits in den 1830er Jahren kamen Künstler:innen in das neuartige Viertel und richteten sich dort ihre Ateliers ein. Hier entstand im Jahr 1881 die private Kunstakademie von Filippo Colarossi, die z.B. von Alfons Mucha besucht wurde, und im Jahr 1891 Paul Gauguin als Lehrer nach Montparnasse brachte. Auch die Weltausstellung 1889 in Paris lockte erneut Künstler:innen aus aller Welt in das Pariser Viertel. Das Leben dort war billig, das Nachtleben lebhaft. Beliebter Treffpunkt im Quartier du Montparnasse war das Café «La Rotonde» am Carrefour Vavin.
Henry Maurice D'Anty wird 1910 in Paris geboren. Hier besuchte er die Ecole Supérieure de Commerce und später die Kunstakademie Julian, entwickelte aber eine Affinität zu den Künstler:innen der Académie de la Grande Chaumière auf dem Montparnasse. Diese Académie wurde im Jahr 1904 von den Schweizer Künstlerinnen Martha Stettler und Alice Dannenberg gegründet und bis 1944 von ihnen geleitet. Die Kunstschule unterrichtete bekannte Künstlerinnen wie Germaine Richier, Alexander Calder, Amedeo Modigliani, Serge Poliakoff, Otto Ernst, Alberto Giacometti oder Meret Oppenheim. Bekannte Lehrer:innen waren u.a. Ossip Zadkine und Fernand Léger. Anfang der 1910er Jahren kommt Ossip Zadkine auf den Montparnasse, wo er die zahlreichen Künstler:innen und Kubisten kennenlernt. Er stellt als Teil des «Salon des Indépendants» und des «Salon d'Automne» aus und eröffnet im Jahr 1928 gemeinsam mit seiner Frau sein Atelier in Paris, das heute als Zadkine-Museum eröffnet ist.
Mit von der Partie im «Salon d'Automne» war Elisabeth Iwanowna Epstein, die zur gleichen Zeit wie Zadkine nach Paris kam und hier als wichtige Kontaktperson zu Kandinsky und Marcs Gruppe des Blauen Reiters und somit als Vermittlerin für die Pariser Kunstszene wirkte. Ein vertiefender Einblick in ihr Leben bietet unser Video «Saving Elisabeth Iwanowna Epstein from oblivion» auf Youtube. Ein weiterer Zeitgenosse war Yves Alix, der in Paris an der Académie Julian, der École des Beaux-Arts sowie der Académie Ranson ausgebi